Im wilden Meer der Leidenschaft
Vater?“, fragte sie. „Kommt auch er manchmal hierher? Gehört die Calypso ihm?“
Zwischen ihren Schenkeln spürte sie, wie er sich bewegte und Anstalten machte, sie von sich herunterzustoßen. Sie drückte die Klinge noch fester an seine Kehle, und er hielt völlig still. „Wieso fragst du mich das?“, brachte er hervor.
„Weil ich mich nur allzu gut an seine Habgier erinnere. Die Habgier der Grattianos, die vor nichts haltmacht. Er muss doch sehen, wie viel Reichtum die spanische Krone hier in der neuen Welt anhäuft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich mit seinem kleinen venezianischen Imperium begnügt, wenn er sich hier mit Gold, Smaragden und Perlen bereichern könnte.“
„Du hast recht, damit würde er sich sicherlich nicht begnügen“, antwortete Balthazar mit der gleichen undurchdringlichen Regungslosigkeit. Doch er sah sie unverwandt an, und der Blick aus seinen grünen Augen schuf zwischen ihnen eine Verbindung, aus der sie sich nicht lösen konnte. „Er hatte immer ein gutes Auge für Schätze, ob sie nun ihm gehörten oder nicht.“
„Und spielte sich als Herr über das Leben anderer Menschen auf“, flüsterte Bianca, fast als würde sie mit sich selbst sprechen. Ermano hatte immer geglaubt, auch über das Leben von anderen könne er frei bestimmen.
„Du hast recht“, sagte Balthazar. „Auch Seelen hat er als seine Besitztümer angesehen.“
„Hat?“
„Hat! Er ist schon seit über sieben Jahren tot.“
Ungläubig starrte Bianca ihn an. Eigentlich war diese Neuigkeit nicht wirklich überraschend. Sie hatte Ermano vor vielen Jahren zum letzten Mal gesehen, und schon damals war er kein junger Mann mehr gewesen. Aber er war ihr auf dämonische Art und Weise unsterblich vorgekommen, wie ein böser Geist, der seine Seele dem Teufel verkauft hatte, um ewig leben und von seinen zu Unrecht erworbenen Reichtümern profitieren zu können.
„Tot?“, murmelte sie.
„Ich weiß, auch ich konnte kaum glauben, dass er tatsächlich sterblich war. Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“
„Dann bist also du jetzt der neue allmächtige Signor Grattiano. Der Herrscher über ganz Venedig.“ Hatte er nun Ermanos Rolle übernommen? Der magere, muskulöse Mann in ihrem Bett, mit den zahlreichen Narben eines alten Seemanns, sah jedenfalls nicht danach aus. Aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass Äußerlichkeiten trügen konnten. Kaum etwas war, wie es schien. „Warum hat es dich dann hierher verschlagen? Wieso isst du nicht von goldenen Tellern in deinem marmornen Palazzo und trinkst Wein mit herausgeputzten Kurtisanen?“
Er lächelte gequält. „Señora Montero, ich glaube, diese Unterhaltung wäre angenehmer, wenn ich kein Messer am Hals hätte.“
Bianca zog die Klinge ein kleines Stück von seiner Haut zurück, und er entspannte sich. Doch sie hielt ihn noch immer unter sich gefangen, ohne ihre Umklammerung zu lockern.
„So ist es besser“, sagte er. „Weißt du, du hättest mich auch einfach fragen können, cara . Völlig unnötig, mich mit einer Waffe zu bedrohen.“
„Ich dachte, diese Art der Überzeugung könne nichts schaden. Die Grattianos waren nie dafür bekannt, freiwillig ihre Geheimnisse zu teilen.“
„Natürlich nicht. Wissen ist Macht, hier mehr als sonst irgendwo. Und wir haben gelernt, nicht allzu freigiebig mit unserem Wissen umzugehen.“
Bianca dachte an Balthazars Juwelen und Pelzmäntel in Venedig. Erinnerte sich an den großen Palazzo und die attraktiven blonden Mätressen. „Im Gegensatz zu eurem Geld.“
„Liebste Bianca, Münzen sind leicht neu zu besorgen. Aber Wissen nicht unbedingt.“
„Und genau aus diesem Grund rate ich dir, dein Wissen mit mir zu teilen“, erwiderte Bianca, während sie weiterhin bedrohlich die Klinge an seinen Hals hielt. „Und zwar sofort.“
„Aber natürlich, meine Liebe. Ganz wie du befiehlst.“ Sie spürte, wie er unter ihr sein Gewicht verlagerte, und fühlte die starken Muskeln seiner behaarten Oberschenkel und die Wärme seines Körpers.
„Ich bin hier, weil ich beschlossen habe, mein Glück allein zu suchen“, fuhr er fort. Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und sah sie aus katzenähnlichen Augen an. „Ich habe kein Interesse mehr an den Besitztümern meines Vaters in Venedig. Die meisten wurden ohnehin zugunsten der Reederei meines Bruders verkauft.“
„Deines Bruders ?“ Bianca stockte der Atem. Ihr drehte sich der Kopf von all diesen Neuigkeiten, von allem, was sie
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