Im wilden Meer der Leidenschaft
durch seine Haare, und er spürte die weiche Berührung ihrer Hände. Er war noch immer angespannt. „Dein einziger Besitz ist also die Calypso .“
Er lachte. „Hast du es auf meinen Reichtum abgesehen, Bianca?“
„Dann wäre ich schön dumm“, antwortete sie heiter. „Ich wette, du bist nicht halb so reich wie die spanischen Edelmänner, die in Santo Domingo Station machen.“
„Das will ich doch hoffen. Reichtum ist eine Falle, aus der man sich nur schwer befreien kann.“
„Und so etwas sagen nur reiche Leute“, bemerkte sie. „Wir anderen können lediglich hoffen, uns in einer solch wunderbaren Falle zu verfangen.“
„Ich habe mein Schiff, mein Haus und meine eigene kleine Insel hier in der neuen Welt, wo ich tun und lassen kann, was ich will. Das ist mehr als genug.“ Er sprang plötzlich auf und griff nach Biancas Hand. „Bianca, kann ich dich wiedersehen, wenn ich zurück nach Santo Domingo komme?“
In der sternenklaren Dunkelheit blickte sie zu ihm auf, sah in sein vom Mondlicht erhelltes Gesicht. Wie schön er war, ihr einsamer, unergründlicher Engel. Doch sie konnte einen neuen Ausdruck in seinen Augen erkennen, ein Leuchten, das einem Feuer in kalter Nacht glich.
Sie hob ihre freie Hand und strich zärtlich über sein Kinn, seine Bartstoppeln, seine vollen Lippen. Er biss spielerisch nach ihrer Fingerspitze und hielt sie zwischen seinen Zähnen fest. Er knabberte an ihrer Haut und liebkoste sie mit seiner Zunge, bis es sie heiß überlief.
„Wir werden sicherlich beide alt und greis sein, bevor es dich noch einmal hierher verschlägt“, brachte sie hervor. „Wenn uns vorher nichts zustößt.“
„Wir haben schon so viel überstanden“, sagte er und drückte ihre Hand an seine Wange. „Haben Stürme auf hoher See überlebt, die tropische Hitze, Krankheiten. Das muss doch einen Grund haben.“
„Und du meinst, der Grund ist, dass wir uns wiedersehen konnten? Vielleicht hast du recht, Balthazar Grattiano. Einverstanden, du sollst mich wiedersehen. Wenn du mich finden kannst.“
Er zog sie an sich, und ihre Lippen verschmolzen in einem Kuss, der nicht so sehr nach Abschied als vielmehr nach ungewisser Zukunft schmeckte.
Wenn du wüsstest, dachte Bianca, als sie die Arme um ihn legte und seine neuerliche Erregung spürte. Er würde sie schneller finden können, als ihm lieb war, wenn ihr Vorhaben wie geplant verlief. Sie würde dem Leben, das sie sich hier aufgebaut hatte, den Rücken kehren, im vollen Bewusstsein, dass sie ihre Existenz aufs Spiel setzte und vielleicht nie mehr zurückkehren konnte. Sie würde das Risiko auf sich nehmen, um endlich, endlich Gewissheit zu haben.
11. KAPITEL
Balthazar stand am Bug seines Schiffs und hatte das Fernrohr auf die sich schnell entfernenden Hügel Hispaniolas gerichtet. Die grelle tropische Sonne schien unbarmherzig auf die roten Dächer der Stadt hinab und auf die in Richtung Hafen gerichteten schweren Geschütze. Sie entfernten sich in Windeseile von der Insel, die aus der Distanz wie eine unwirkliche Oase der Zivilisation, umgeben von dunklen Bergen, wirkte. Er behielt sie im Auge, bis die Calypso einer Schleife des Rio Ozama folgte und in den Hafen von Azua kam, von wo sie endlich aufs offene Meer hinaussegeln konnte.
Langsam ließ er das Fernrohr sinken und war sich kaum des geschäftigen Treibens hinter ihm auf dem Schiff bewusst. Seine Männer erklommen die Takelage und liefen über Deck. Ihre Bewegungen glichen einem wilden Tanz, aber Balthazar wusste, wie perfekt aufeinander abgestimmt sie waren. Alles trug dazu bei, dass das Schiff ins offene Wasser gelenkt wurde und endlich die Segel in Richtung Heimat setzen konnte.
Heimat . Ein Wort, dessen Bedeutung Balthazar nie ganz hatte erfassen können. Ein Zuhause stellte er sich wie einen warmherzigen und einladenden Ort vor, wie zum Beispiel die Villa seines Bruders Marcus und dessen Frau Julietta. Ein Ort, an dem das Lachen von Kindern erklang, Geschäfte abgewickelt und lebhafte, herzliche Unterhaltungen geführt wurden.
Balthazar liebte es, die Familie seines Bruders zu besuchen, und doch fiel ihm nach einer gewissen Zeit der Abschied nicht schwer, wenn er zu einer neuen Reise aufbrach. So sehr er auch seine Neffen und seine kleine Nichte Beatrice liebte, so viel es ihm auch bedeutete, einen Bruder zu haben, so war ihm doch nur allzu sehr bewusst, dass er lediglich ein Gast in ihrem Zuhause war. In dem Nest, das die beiden sich eingerichtet hatten in ihrer kleinen Welt
Weitere Kostenlose Bücher