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Im wilden Meer der Leidenschaft

Im wilden Meer der Leidenschaft

Titel: Im wilden Meer der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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dass Matrosen sie förmlich anflehten, in die Mannschaft aufgenommen zu werden, aber noch nie war jemand so weit gegangen, sich heimlich an Deck zu schleichen.
    Balthazar hatte keine Zeit, um sich mit solchen Ärgernissen zu befassen, und vor allem nicht jetzt, wenn seine Gedanken sich um Bianca drehten.
    „Mendoza!“, brüllte er. „Zurück nach Santo Domingo. Wir müssen diesen Spitzbuben wieder an Land setzen.“
    Er beugte sich vor, um den Jungen am Kragen zu packen, wobei dessen Kappe verrutschte. Eine einzige, lange dunkelbraune Locke rutschte heraus und fiel einen ungewöhnlich grazilen Hals entlang.
    Der blinde Passagier stieß Balthazars Hand weg und stand auf, während er seine Kappe herunterzog. Vor ihm stand Bianca und schüttelte ihre lange Mähne.
    „Ihr könnt nicht umdrehen, Kapitän Grattiano“, belehrte sie ihn. „Dann müsstet Ihr gegen den Wind segeln.“
    Als Balthazar sie ungläubig anstarrte, hörte er Mendoza lauthals lachen. „Sieht so aus, als hätten wir ein neues Mitglied in der Mannschaft, Kapitän.“
    „Ich kann genauso gut das Deck schrubben oder ein Tau flicken wie jeder Eurer Männer“, ließ sich wieder ihre Stimme vernehmen. Trotz ihrer kecken Äußerungen sah er in ihren Augen noch immer eine wachsame Distanz.
    Aber eine Distanz, die sich plötzlich sehr verringert hatte.
    Balthazar zog sie an sich und drückte stürmisch seine Lippen auf ihren Mund, während seine Mannschaft in grölenden Beifall ausbrach.
    Bianca saß auf Balthazars hoher Koje und ließ ihre Füße, die noch immer in Stiefeln steckten, über die Kante baumeln. Sie sah sich in der engen Kabine um, die mit einem mit Seekarten und Büchern bedeckten Tisch, einem Waschstand und einer Seemannstruhe möbliert war. Ein abgetretener blauer Teppich lag neben dem Tisch, und an den Wänden hing ein einziges Bild, dessen edler vergoldeter Rahmen sich vom Rest des schlichten Mobiliars abhob. Es war das Porträt einer blassen, dunkelhaarigen Dame, die in grünen Brokat und schweren Pelz gekleidet war. Bianca erinnerte sich, dass sie dieses Bild schon einmal bei ihrem einzigen Besuch im Palazzo der Grattianos gesehen hatte – und dass es Balthazars Mutter zeigte. Sie war Ermano Grattianos letzte Ehefrau in einer langen Reihe unglücklich zu Tode gekommener Angetrauter gewesen.
    Bianca fixierte die gemalten haselnussbraunen Augen, die von stummer Qual sprachen. Alles war besser, als Balthazar anzublicken, der wie ein gefangenes Tier in der engen Kabine auf und ab lief.
    Als sie den wilden und verrückten Plan ausgeheckt hatte, sich als blinder Passagier auf der Calypso zu verstecken, schien ihr dies eine gute Idee gewesen zu sein. Zwischen ihr und Balthazar war noch so viel unausgesprochen, dass es ihr unerträglich war, ihn einfach davonsegeln zu lassen. Er hatte zwar gesagt, er käme zu ihr zurück, aber sie hatte lange genug inmitten von Seeleuten gelebt, um zu wissen, wie unwahrscheinlich dies war. Seefahrer wurden immer leicht von ihrer nächsten Entdeckung, dem nächsten Schatz, neuen Ländern und unbefahrenen Gewässern abgelenkt. Selten kamen sie in den selben Hafen zurück.
    Und selbst wenn er dies vorhatte, so konnten immer noch Stürme, Piraten und Krankheiten dazwischenkommen. Obwohl er unbezwingbar schien, war wohl auch Balthazar nicht völlig immun gegen solche Probleme.
    Und daher hatte sie den Entschluss gefasst, dass sie ihm folgen müsse, um sich der Vergangenheit zu stellen und Frieden mit Balthazar Grattiano schließen zu können. Alles andere wäre ihr wie eine Flucht vor der Vergangenheit und vor ihm vorgekommen.
    Letzte Nacht jedenfalls schienen ihr diese Gedanken sinnvoll zu sein. Aber jetzt, als sie hier in seiner Kabine saß und das Knarren der Schiffsplanken und das Geschrei der Mannschaft oben an Deck hörte, wusste sie nicht mehr, was in sie gefahren war, und ihr drehte sich förmlich der Magen um.
    Als sie Juans alte Truhe gepackt und Delores Anweisungen gegeben hatte, wie sie die Taverne in ihrer Abwesenheit zu führen habe, war sie so von ihrer Idee berauscht gewesen, dass sie jegliche Zweifel verdrängt hatte. Doch als sie sich dann tatsächlich in den Laderaum der Calypso schlich und zwischen den Fässern und Segeln, umgeben von Fischgestank und schalem Wasser versteckte, da hatte die Wirklichkeit sie plötzlich wieder eingeholt.
    Wie hatte sie nur so töricht sein können! Sie hatte sich wie ein albernes, verliebtes Mädchen verhalten, obwohl sie es hätte besser wissen müssen, als

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