Im wilden Meer der Leidenschaft
seinen Schultern und seiner Brust, und sein zurückgebundenes Haar war klatschnass. Winzige, kristallklare Tropfen verliehen seiner braunen Haut einen silbernen Schimmer. Trotz der Gefahren, denen er allein oben auf Deck getrotzt hatte, schien er voll pulsierendem, mitreißendem Leben zu sein, und er strahlte eine magnetische Kraft aus, die sie unwiderstehlich zu ihm zog.
Er grinste, als er die improvisierte Feier in dem engen, übel riechenden Raum erblickte, die Musik, den Tanz und das angeheiterte Gelächter. Er nahm Biancas Hand und zog sie dicht an sich.
Ihr eigenes Wams war in kürzester Zeit durchnässt, aber das war ihr gleichgültig. Sie sehnte sich nach seiner Vitalität, seiner Hitze und danach, ihm noch näher zu sein.
Er hielt ihre Hand und führte sie in einer eleganten Kreisbewegung, die sie an den alten Balthazar erinnerte, den vornehmen Höfling, der auf den Karnevalsbällen mit den schönsten Frauen tanzte. Der die feinsten Seidenstoffe und Juwelen so lässig trug, als sei er in ihnen zur Welt gekommen und als sei dieser Luxus für ihn ganz selbstverständlich.
Er tanzte noch immer wie dieser Mann, aber er sah in seiner derben, durchnässten Kleidung nicht mehr so aus. Sein attraktives Gesicht wirkte durch den Bart und die sonnengegerbte Haut männlicher und herber. Er lachte auch nicht wie der alte Balthazar, der, soweit sie wusste, überhaupt nie gelacht hatte.
Aber der Balthazar, der jetzt ihre Hand hielt, lachte. Als er sie geschickt durch halbvergessene Schritte führte und sie immer schneller herumwirbelte, lachten sie sich an. Wie lächerlich sie aussehen mussten, während sie hier inmitten der stürmischen See eine elegante, höfische Gaillarde tanzten! Wie absurd, dass das Schicksal sie überhaupt wieder zusammengeführt hatte.
Aber noch nie war sie glücklich wie in diesem Augenblick gewesen, während sie in einem knarrenden, leckenden Schiff inmitten eines Regensturms tanzte und lachte. Und in Balthazars hellgrüne, glänzende Augen blickte.
Von solchen Momenten hatte sie in ihrer Jugend geträumt; sich erhofft, dass sie für Balthazar nicht mehr nur ein ungewöhnlich belesenes Mädchen war, mit dem er einen langweiligen Nachmittag totschlagen konnte. Dass er sie als eine begehrenswerte Frau ansah, ihre Hand ergriff und sie zu einem prunkvollen Ball in einem der Palazzi entlang des Canal Grande ausführen würde. Und natürlich trug sie in diesen Träumen ein elegantes Samtkleid und Juwelen und hatte wunderbarerweise glattes, glänzendes Haar und eine helle Haut.
Doch in Wirklichkeit musste sie mit dem Zorn und der Verbitterung der Vergangenheit, mit Gefahren und Ungewissheiten leben. Das Regenwasser tropfte auf sie herunter, und eine Flöte war ihr Orchester.
Aber Bianca lachte, und ihr war ihr ungetrübtes Glück anzusehen, als er sie emporhob und immer wilder drehte. Vor ihren Augen verschwammen die klatschenden Männer, die Masten und die aufeinander gestapelten Segel zu einem unscharfen Kaleidoskop und widerhallendem Lärm.
War dies etwa der wirkliche Balthazar? Und war sie endlich auch sie selbst? Sie hatte sich so lange hinter ihrer Fassade versteckt, dass sie es nicht wusste. Aber sie wusste, dass sie endlich frei war.
Langsam ließ er sie hinunter und setzte sie ab. Sie lehnte sich an seine warmen Schultern und seine Brust. Ihr drehte sich noch immer der Kopf vom Tanzen und von dem ungewohnten Rausch schwindelerregenden Glücks. Sie hielt sich an seinen Händen fest und blickte zu ihm auf.
Normalerweise hatten seine Augen die geheimnisvolle moosgrüne Farbe eines undurchdringlichen Waldes. Doch jetzt glänzten sie wie wertvolle Juwelen. Wie das helle, glitzernde Licht eines venezianischen Sommers.
Wie lebendig er doch war, dachte sie bei sich. Er war eine Naturgewalt, von der sich alle und alles um ihn herum angezogen fühlte – angezogen von der uralten Sehnsucht nach Wärme, Licht und Schönheit.
Doch plötzlich erschauerte sie. Sicher würde eine solche Lichtquelle irgendwann erlöschen und die Welt wieder in Dunkelheit stürzen. Es konnte nicht von Dauer sein. Balthazars Lebenskraft war so vergänglich wie dieser Augenblick und konnte von einem Moment auf den anderen verschwinden.
Nicht zum ersten Mal wünschte Bianca sich, sie hätte das Talent ihrer Mutter und könnte die Zukunft vorhersehen, Balthazars und ihre eigene. Doch wahrscheinlich hätte ihr selbst Marias Begabung nicht weitergeholfen. Die Grattianos waren sogar für Tarot–Karten zu
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