Im wilden Meer der Leidenschaft
und Weise geliebt, die ihr völlig natürlich und instinktiv vorgekommen war. Doch nun waren plötzlich neue und komplizierte Gefühle zwischen sie gekommen.
Doch wie konnten ihre Gefühle für Balthazar noch komplizierter werden, als sie es ohnehin schon waren?
Er reichte ihr ihre Stiefel, die sie zum Trocknen in die Sonne gestellt hatte. Ohne ein Wort hockte er sich neben sie und griff nach ihrem Fuß.
Amüsiert sah Bianca zu, wie er mit seinem Hemd den Staub von ihren Zehen abwischte und ihr dann erst einen, dann den anderen Stiefel anzog. Er stand auf und nahm ihre Hand.
„Komm mit, Bianca“, sagte er.
„Wohin gehen wir?“
Balthazar lachte sarkastisch und zog sie zur offenen Tür hinaus. „Bianca, cara , kannst du mir nicht einmal gehorchen? Komm einfach mit.“
Sie gingen den Pfad hinunter, an dem brachliegenden Gemüsegarten vorbei, in dem nun einige Wildschweine lebten. Vorbei an den anderen Häusern, wo drei kichernde einheimische Frauen in europäischen Kleidern sie schüchtern ansahen. Als Bianca ihnen zuwinkte, kicherten sie noch mehr.
Als sie unten angelangt waren, verließen sie den schmalen Pfad, und Balthazar führte sie tiefer in den Wald hinein. Hier war es angenehm kühl, und das gleißende Sonnenlicht wurde durch den dicken Blätterwald gedämpft. Die einzigen Geräusche waren das Summen der Insekten und ihre Schritte auf dem weichen Boden.
Und Biancas Herz, das ihr bis zum Hals klopfte.
Während sie ihm folgte und seine Hand festhielt, dachte sie daran, was er sie eben gefragt hatte. Wollte sie ihn? Kannte sie ihn überhaupt? Über die Jahre hinweg hatte er für sie so viel Verschiedenes verkörpert. Eine unnahbare, faszinierende Erscheinung, die sie anhimmelte. Ein Freund, der ihr einen kurzen, kostbaren Einblick hinter seine Fassade eines oberflächlichen Edelmanns gewährte, bevor sie auf so schreckliche Art und Weise voneinander getrennt wurden. Ein Feind, auf den sich all ihr Hass, all ihre Bitterkeit konzentrierte. Ein gestählter Kapitän. Ein fantastischer Liebhaber.
Ein Rätsel.
Und er war all das für sie. Sie war sich nicht sicher, all diese Facetten zu „wollen“. Und doch begann sie zu fürchten, dass sie keine andere Wahl mehr hatte und dass sie ihn zum Leben benötigte wie Luft und Wasser.
„Mach die Augen zu“, sagte er.
„Wie bitte?“ Sie schreckte auf, als seine tiefe, raue Stimme die Stille durchschnitt.
„Mach die Augen zu“, wiederholte er. „Du vertraust mir doch, oder?“
Bianca schluckte. Vertrauen zu schenken, gehörte nicht zu den Dingen, die ihr leichtfielen, vor allem, da sie sich momentan selbst nicht vertrauen konnte. „Ich soll dir vertrauen, Balthazar? Vertrauen, dass du mich nicht in einen rauchenden Vulkan wirfst, wenn ich die Augen schließe?“
Seine Mundwinkel zuckten, doch er unterdrückte ein Lächeln. „Ich glaube, es gibt keine Vulkane auf Vista Linda.“
„Das ist nicht gerade eine beruhigende Antwort.“ Doch sie gehorchte seiner Bitte und schloss die Augen. Die vereinzelt in das Dickicht eindringenden Sonnenstrahlen zauberten rote und blaue Muster vor ihre Augen, und er nahm sie noch fester an die Hand. Er führte sie und half ihr über den unebenen Boden.
Nichts zu sehen, verschärfte all ihre anderen Sinne. Sie spürte die sanfte Liebkosung des Windes, der über ihr Gesicht strich, und atmete das süße, üppige Aroma der Vegetation ein. Sie hörte den Gesang der Vögel, das Zischen der Insekten – und noch etwas anderes. Ein leises Plätschern, das immer lauter wurde. Es hörte sich an wie das Rascheln feinsten Satins. Und dann verstand sie. Das Rauschen herunterstürzenden Wassers.
„Mach die Augen auf“, sagte Balthazar.
Und Bianca bot sich ein überwältigender Anblick.
Sie waren aus dem Wald auf eine große Lichtung hinausgetreten und an den Rand eines natürlichen Bassins, das in der Sonne silberblau schimmerte. Gespeist wurde es von einem in perfektem Bogen über einen felsigen Abgrund hinabstürzenden Wasserfall.
„Oh, Balthazar“, flüsterte sie. „Wie wunderschön. Bitte sag mir, dass das keine Fata Morgana ist.“
Er lächelte sie an und schenkte ihr sein wahres, liebevolles Lächeln, das sie so selten sah. Es stand in Schönheit diesem märchenhaften Ort in nichts nach und rührte sie so sehr, dass sie einen dicken Klumpen im Hals verspürte.
„Du hast mir einmal vorgeworfen, Zauberkräfte zu besitzen“, sagte er dann. „Aber die Macht, einen solchen Anblick heraufzubeschwören, habe ich
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