Im wilden Meer der Leidenschaft
und ungeschönt vorzubringen, aber wie anders hätte sie ihm die grausame Wahrheit mitteilen können? Sie sah, wie Balthazar den Mund zusammenpresste, doch er wich ihrem Blick nicht aus. „Das hatte ich befürchtet“, brachte er mit rauer Stimme hervor.
„Ich dachte …“
„Du dachtest, ich hätte ihm geholfen.“ Das war keine Frage, sondern eine harsche, harte Feststellung.
„Ja. Ich hatte solche Angst! Ich dachte, du hättest meine Freundschaft dazu benutzt, mich abzulenken, um deinem Vater die nötige Zeit für sein Verbrechen zu verschaffen.“
Bianca sah ihm ins Gesicht, um seine Reaktion auf ihre Worte zu erkennen. Um zu sehen, ob er ihr glaubte oder nicht. Oder ob der Zorn, der bei ihm immer dicht unter der Oberfläche lauerte, plötzlich hervorbrechen würde.
Er saß mit unbewegtem Gesichtsausdruck neben ihr. Doch sie sah, dass er die Fäuste ballte und seine Augen eine dunkle Farbe annahmen. Balthazar gab seine Gefühle nur selten preis, und in der intriganten, gefährlichen Welt Venedigs aufzuwachsen, hatte ihn gelehrt, seine undurchschaubare Maske in jeder Lage beizubehalten.
Doch Bianca hatte bemerkt, dass in seinen Augen immer die Wahrheit zu lesen war.
„Du dachtest, ich hätte dich verraten“, sagte er mit gepresster Stimme. „Dachtest, dass ich mich mit meinem Vater gegen ein unschuldiges junges Mädchen verschwören würde.“
„Ich wusste nicht, was ich denken sollte! Ich war nicht so unschuldig, dass ich die Geschichten über dich und deine Familie nicht kannte. Dein Vater war erbarmungslos, er zerstörte jeden, der ihm in irgendeiner Weise im Wege stand. Und du …“
„Ich war ein gedankenloser Schürzenjäger, der nur sein Vergnügen im Kopf hatte.“
Bianca schluckte, und vor ihrem inneren Auge erschien ein Bild aus alten Tagen: Balthazar, der ausgestreckt in einer Gondel lag, mit einer verführerischen Kurtisane an seiner Seite, die sein Gesicht und seinen Oberkörper streichelte, während sie sich über ihn beugte und ihn küsste. „So hieß es zumindest.“
„Und doch hast du mit mir geredet.“
Wie konnte sie ihm nur klarmachen, dass sie nicht anders konnte, als mit ihm zu reden? Dass seine Anziehungskraft auf sie so stark war, dass sie ihn bei jeder Gelegenheit treffen wollte? „Ich habe nicht auf das dumme Gerede gehört. Die Freundinnen meiner Mutter taten nichts lieber, als über andere herzuziehen, und du warst immer ein besonders beliebter Gesprächsstoff. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass du, der du so viele Bücher gelesen und über solch interessante Dinge geredet hast, wirklich ein so zügelloses Leben führst.“
„Aber als mein Vater sein gemeines Verbrechen verübt hat, ist dir mit Sicherheit jedes Wort davon wieder eingefallen.“
„Ja, das stimmt. Und ich fühlte mich so närrisch, nicht darauf gehört zu haben. Geglaubt zu haben, du seiest anders als dein Vater. Kein richtiger Grattiano. Ich war so voller Zorn, voller …“
Die Erinnerung an diese überwältigende, brennende Wut, an die Angst, die sie damals überkommen hatte, kehrte mit voller Wucht zurück, und sie schloss die Augen. Die letzten Jahre waren wie weggewischt, und sie war plötzlich wieder das verängstigte junge Mädchen von damals. Sie wandte sich ab, schlang die Arme fest um ihren Oberkörper und lief hinüber an den Rand des Sees.
Allmählich besänftigten das warme klare Wasser, das ihre Füße umspielte, und das Geräusch des hinunterstürzenden Wasserfalls sie wieder, und sie kehrte zurück in die Gegenwart. Wurde wieder die Frau, zu der sie mittlerweile herangewachsen war.
Sie hörte, wie Balthazar aufstand und sich ihr näherte. Wenn er sie jetzt berührte, befürchtete sie, in tausend Stücke zu zerspringen. Doch er blieb einfach hinter ihr stehen, und seine ruhige, warme Aura tat ihr wohl. Verstärkte das glänzende, unzerstörbare Band, das die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfte.
„Als du mir in Santo Domingo nachts den Dolch an die Kehle gehalten hast“, sagte er plötzlich, „wolltest du mich umbringen, nicht wahr? Dich endlich rächen.“
„Ich hatte so lange darauf gewartet, das Verbrechen an meiner Mutter zu vergelten. Dein Vater hat so viel zerstört; er hat nicht nur meine Mutter, sondern auch das junge Mädchen, das ich damals war, umgebracht.“
„Und dann bin ich in deiner Taverne aufgetaucht.“
Bianca lachte bitter auf. „Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass das geschehen würde? Ich sah es als ein Zeichen dafür,
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