Im wilden Meer der Leidenschaft
dass meine Stunde der Rache endlich geschlagen hatte.“
„Doch Diego hätte dir fast einen Strich durch die Rechnung gemacht.“
Sie schloss die Augen und sah Balthazar verletzt und blutend auf dem Boden des Wirtshauses liegen. Genau wie ihre geliebte Mutter. Blut, Tod, Rache – es war ein endloser, grausamer Teufelskreis, der ihr Herz zu lange schon verhärtet hatte.
Sie schlug die Augen auf und sah hinunter in das klare Wasser. Es musste heilende Kräfte besitzen, denn es hatte ihr die letzten Überreste des vergossenen Bluts und ihres alten Hasses abgewaschen. Sie endlich aus den Fesseln der Vergangenheit befreit.
Sie drehte sich zu Balthazar um und lächelte ihn an. „Oh nein. Der arme Diego hat mir die Augen geöffnet. Wenn ich dich aus Vergeltung umgebracht hätte, hätte ich auch meiner eigenen Seele den Todesstoß versetzt. Sie war verletzt und angeschlagen, doch nicht zerstört. Ich dachte, sie sei es – bis du wieder in mein Leben getreten bist.“
Er sah sie fragend an. „Was meinst du damit?“
„Was dein Vater meiner Mutter und so vielen anderen angetan hat, war schrecklich. Was er dir, seinem eigenen Sohn antat, war noch schlimmer. Er hat versucht, dich zu zerstören, jeden Tag ein bisschen mehr, bis du so werden würdest wie er. Aber du hast es nicht zugelassen. Und ich konnte es auch nicht zulassen.“
Langsam ging sie auf ihn zu und streckte ihre Hand aus, bis ihre Finger sanft, ganz sanft, seinen Arm berührten. Sie spürte, wie er zusammenzuckte, doch er zog seinen Arm nicht weg. Sie streichelte seine Haut und ergriff schließlich seine Hand.
„Ich weiß jetzt, dass du keine Schuld am Verbrechen deines Vaters trägst. Dich zu töten, dich zu hassen, würde mir meine Mutter nicht zurückbringen. Und auch nicht all die verlorenen Jahre. Aber es hätte die letzten Gefühlsregungen meines Herzens zerstört. Und das konnte ich nicht zulassen. Ich kann nicht länger hassen.“
Balthazar zog sie in seine Arme und drückte sie so fest an sich, dass sie kaum Luft bekam. Als er sie hochhob, spürte sie seine Küsse auf ihren Haaren, auf ihren Wangen, auf ihrem ganzen Gesicht.
„So viele Menschen haben mich schon gehasst“, sagte er mit rauer Stimme. „Und es war mir immer völlig gleichgültig. Es war mir egal, was andere von mir dachten, und ob sie mich hassten oder mich liebten. Es war mir alles gleich. Aber du, Bianca – ich könnte es nicht ertragen, wenn du mich hassen würdest. Selbst wenn ich es verdiente.“
Bianca legte den Kopf nach hinten und sah in seine Augen. „Oh nein. Ich hasse dich nicht.“
„Und ich hoffe, du wirst es auch in Zukunft nicht, egal, was du über mich erfahren solltest.“
Sie drückte ihre Lippen auf seinen Mund, um nichts mehr sagen zu müssen. Um ihre Gedanken und ihren Kummer nicht weiter erklären zu müssen. Sie hatte ihm so viel offenbart, so viele Gefühle preisgegeben, die sie jahrelang verdrängt hatte, dass sie sich ausgelaugt und leer vorkam. Sie wollte nur noch fühlen. Seine Küsse auf ihrer Haut spüren, seinen Atem, seinen Körper, seine Liebe, und zu wissen, dass sie zusammengehörten. Dass die Vergangenheit nicht mehr existierte.
Doch selbst als sie zusammen ins Gras fielen und ihre Küsse immer stürmischer vor Verlangen wurden, konnte sie nicht umhin, an die Zeichnung zu denken. Das Porträt der Frau und ihrer beiden Kinder. Und sie wusste, dass sie Balthazar nie mehr hassen konnte.
Doch würde sie es bereuen, ihre Gefühle für ihn zuzulassen? Das Risiko einzugehen, ihm ihr geschundenes Herz zu öffnen und es im Einklang mit dem seinen schlagen zu lassen?
22. KAPITEL
„ Käpt’n, die Männer haben die Nase voll!“, sagte Mauro. In seiner festen Stimme schwang eine unüberhörbare Drohung mit, doch er blieb vorsichtig an der Kabinentür stehen.
Diego sah zutiefst irritiert durch diese Unterbrechung von den Seekarten auf, die er studierte. „Was hast du gesagt?“
„Ich sagte … die Männer werden es nicht weiter hinnehmen, ziellos um karge Inseln herumzusegeln, ohne die Hand auf irgendwelche Reichtümer zu legen. Sie sagen, Ihr haltet Euch nicht an die Vereinbarung und dass wir Euch auf einer einsamen Insel aussetzen sollten …“
„ Cabron !“, brüllte Diego und schlug so fest mit der Faust auf den Tisch, dass die leeren Rumflaschen gefährlich ins Wanken gerieten. Einige kollerten hinunter zu denen, die schon auf dem Boden lagen, doch Diego bemerkte es nicht. Er hatte nur eins im Sinn – Balthazar Grattiano zu
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