Im wilden Meer der Leidenschaft
sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.
Konnte sich nicht mehr vorstellen, ohne sie einzuschlafen, nicht mit ihr zu reden – sie morgens nicht singen zu hören. Wieso war ihm nicht früher aufgefallen, wie öde und leer sein Leben bisher gewesen war?
Doch nun war ihm etwas Wundersames widerfahren, von dem er nicht wusste, wie lange es dauern würde. Bald würde ihre Zeit auf Vista Linda zu Ende gehen, und Bianca und er mussten eine Entscheidung über ihr zukünftiges Leben treffen. Er musste ihre Gegenwart hier und jetzt genießen und versuchen, die Chance, die das Schicksal ihm bot, zu nutzen; die Chance, einen Bruchteil der Sünden seines Vaters wiedergutzumachen.
Balthazar wusch sich und zog sich schnell an, und kletterte dann die steile Treppe nach unten. Bianca hatte aufgehört zu singen, aber sie summte vor sich hin. Sie saß auf der Türschwelle und hatte eine Schüssel auf ihrem Schoß und einen Haufen frischen Obsts neben sich. Während sie die Früchte schälte und in Scheiben schnitt, beobachtete er, wie die Sonnenstrahlen auf ihr dunkles Haar und ihren Körper in dem dünnen Unterkleid fielen und ihre Kurven und Konturen enthüllten.
„Was hast du da eben gesungen?“, fragte Balthazar.
Bianca wandte ihm den Kopf zu und lächelte ihr bezauberndes Lächeln. „Nur ein Seemannslied, das ich die Männer gestern habe singen hören“, sagte sie. „Tut mir leid, dass ich dich mit meinem schrecklichen Gesang aufgeweckt habe. Aber dieser schöne Morgen hat mich einfach zum Singen angeregt.“
„Mir hat es gefallen.“ Er näherte sich ihr, um ihr einen Gutenmorgenkuss zu geben. Sie schmeckte nach Mango und Zitrone, nach dieser frischen Süße, die ihr eigen war.
Sie lachte. „Dann bist du so taub wie ich! Auf dem Tisch stehen Brot und Wein, falls du hungrig bist. Eine der einheimischen Frauen – Rosa, glaube ich – hat heute Morgen gebacken.“
„Mendozas Frau“, erklärte Balthazar und goss sich einen Kelch Wein ein. Er sah, dass Bianca ein hübsches Stofftuch über den Tisch gelegt und einen Strauß Blumen darauf gestellt hatte.
Sie hatte sein Haus in ein Zuhause verwandelt.
„Sie war reizend, aber ich habe nicht allzu viel von dem, was sie sagte, verstanden.“
Balthazar lehnte hinter Bianca im Türrahmen, nippte an seinem Wein und sah hinunter auf ihren verführerischen Nacken, in dem sich die hochgesteckten Locken kringelten. Schließlich gab er der Versuchung nach und drückte ihr einen Kuss auf eben diese weiche Stelle. Ein Schauder durchlief sie, und lachend scheuchte sie ihn weg.
„Ich arbeite“, sagte sie heiter.
Auch er lachte und griff über ihre Schulter nach einer Orangenscheibe. „Ziemlich viel Obst für zwei Leute.“
„Du sagtest doch, ich könnte eine Feier organisieren.“
„Und die Feier soll hier stattfinden?“ Skeptisch sah er ins Innere des Hauses mit den zwei kleinen Räumen. „Wie viele Gäste erwartest du denn, cara ?“
„Nein, nicht hier. Mendoza sagte, er und die Mannschaft könnten ein Schwein in einem Erdloch unten am Strand garen. Und Rosa backt noch mehr Brot von dem Mehl, das du aus Santo Domingo mitgebracht hast, oder jedenfalls glaube ich, dass sie das gesagt hat. Es wird Musik geben, wir werden tanzen …“
„Du warst ja heute Morgen schon fleißig! Saubergemacht, gekocht, eine Feier auf die Beine gestellt.“
„Nun schau nicht so missmutig drein, Balthazar! Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als der Besuch von Bällen deine Lieblingsbeschäftigung war. Ich denke da besonders an einen Maskenball im Dogenpalast mit Rosina Micelli.“
Er lachte. „Ich habe doch gar nichts dagegen! Ich lasse dir völlig freie Hand. Betrachte dich als die Herrscherin über Vista Linda. Ich lege dir mein kleines Königreich zu Füßen.“
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. „Bist du sicher, dass deine Großzügigkeit nichts mit deinen Schuldgefühlen zu tun hat? Wegen dem, was ich dir gestern erzählt habe?“
„Natürlich fühle ich mich schuldig daran, was dir angetan worden ist“, sagte er leise. „Was mein Vater dir angetan hat.“
„Du bist nicht verantwortlich für die Sünden deines Vaters.“ Bianca sah hinunter auf das Obst und das kleine Messer, das sie in der Hand hielt. „Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Und zu erkennen …“
„Zu erkennen, dass ich selbst genug Sünden auf dem Gewissen habe?“
Sie musste gegen ihren Willen lächeln. „Wir tragen alle schwer genug an unseren Sünden. Es ist nicht nötig,
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