Im wilden Meer der Leidenschaft
Balthazar ihn ihr hastig in die Hand gedrückt hatte, nie wieder hervorgeholt und angeschaut. Der funkelnde Ring erinnerte sie zu sehr an die schrecklichen Stunden, die sie durchlebt hatte, und an das unglückliche Ende ihrer damaligen Freundschaft.
Aber nun sah sie im blutroten Glanz des Rubins nur Schönheit und den Zauber dieser magischen Insel. Ab jetzt würde sie nur noch angenehme Erinnerungen mit diesem Ring verbinden, die sie die Schrecken der Vergangenheit vergessen ließen.
Bianca streckte ihre linke Hand aus und inspizierte den dünnen, abgenutzten Goldring. Juan Montero hatte ihn ihr in einer eiligen Zeremonie in einer Kapelle in Cadiz übergestreift. Er war um einiges älter gewesen als sie, aber ein gutherziger Mann. Als sie sich in der Taverne, in der sie damals als Bedienung arbeitete, kennenlernten, dachte er, er habe eine junge, starke Frau gefunden, die ihm seine Hemden flicken und seine Strümpfe waschen würde. Sie dachte, sie habe endlich einen Mann gefunden, der sie von der Schinderei im Wirtshaus und von den plumpen Annäherungsversuchen grober Männer, die sie als Freiwild ansahen, erlösen würde.
Er heiratete sie, sodass sie ihn in die neue Welt begleiten konnte, und beide waren zufrieden mit ihrem Arrangement. Sie führten eine harmonische Ehe und waren einander freundschaftlich verbunden. Als er starb und sie die Taverne in Santo Domingo übernahm, vermisste sie ihn.
Doch jetzt konnte sie sich kaum noch an sein Gesicht erinnern. Die Zeit mit ihm schien zu einem anderen Leben zu gehören, zu einer Existenz, die nicht sie, sondern eine andere Frau gelebt hatte.
Sie streifte den Ehering ab und legte ihn in die Börse. An seiner Stelle streifte sie Balthazars Rubinring über. Und fühlte sich plötzlich so leicht und unbeschwert, als sei ihr ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Als seien die alten rostigen Ketten, die sich um ihr Herz gelegt hatten, endlich zersprungen.
Bianca lachte laut vor Glück, knallte den Deckel der Truhe zu und lief so schnell sie konnte die Treppe zu ihrer Schlafkammer hinunter. Balthazar wartete an der Tür auf sie. Er trug seine übliche Kleidung, ein weißes Hemd, hohe schwarze Stiefel, schwarze Hosen und eine lederne Weste. Doch er hatte sich rasiert und sein Haar zurückgebunden, sodass man die kleine, funkelnde Perle in seinem Ohrläppchen sah.
Nach all diesen Jahren begleitete er sie endlich zu einem Ball. Und es war ihr völlig gleichgültig, dass dieser Ball am Strand und nicht im marmornen Ballsaal eines Palazzo stattfand, und dass sie Obst und gegartes Schwein essen und im Sand tanzen würden.
Er lächelte ihr zu und bot ihr seinen Arm. Bianca legte ihre Hand darauf und beobachtete seinen Gesichtsausdruck, als er den Ring bemerkte. Seine grünen Augen weiteten sich, als die Erinnerung zurückkehrte.
„Du hast ihn behalten?“, fragte er ungläubig.
„Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihn zu verkaufen. Und jetzt bin ich so froh, ihn noch immer zu besitzen, diesen wunderschönen Ring.“
„Wenn du es mir erlaubtest, würde ich dich mit Rubinen und Perlen in jeder Form und Größe überschütten. Mit Smaragden, Diamanten …“
„Einer reicht mir vollkommen“, lachte Bianca und führte Balthazar den Pfad hinunter. „Bei welcher Gelegenheit sollte ich denn diese Perlen und Smaragde überhaupt tragen? Beim Segelflicken? Oder beim Schwimmen unter dem Wasserfall?“
„Zu einem Maskenball in Venedig.“
Der plötzlich so ernste, fast feierliche Tonfall seiner Stimme überraschte sie. Sie blieb stehen und sah ihm ins Gesicht. Auch sein Gesichtsausdruck war ernst und angespannt, doch sie konnte nicht ergründen warum. Konnte seine Gedanken nicht deuten.
„Du willst zurück nach Venedig?“, fragte sie leise. „Ich dachte, du hasst das Leben dort. Und dass dein Leben nun hier und auf See ist.“
„Ein Mann kann nicht bis ans Ende seiner Tage zur See fahren. Nicht, wenn er älter wird und sich gewissen Dingen stellen muss.“
Zum Beispiel einer Familie? Verpflichtungen? Die Unbeschwertheit, die sie eben noch verspürt hatte, verwandelte sich in einen kalten Knoten in ihrer Brust. Sie musste die Wahrheit wissen, aber zugleich hatte sie nicht das geringste Verlangen danach, sie zu erfahren. Noch nicht. Und ganz besonders nicht heute Abend.
Sie zwang sich zu einem Lächeln und legte wieder ihre Hand auf seinen Arm. „Ihr seid zu feierlich für diesen Ball, Signor Grattiano. Und Ihr habt mir doch einen Tanz versprochen.“
Er
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