Im wilden Meer der Leidenschaft
öffnete den Mund, als wolle er ihr widersprechen, ihr eine Erklärung geben, doch sie legte ihm den Finger auf die Lippen. „Morgen kannst du mich alles fragen, mir alles erzählen, was du willst. Heute Abend will ich tanzen.“
Er nickte, und sie setzten ihren Weg hinunter zum Strand fort. Die Matrosen und ihre einheimischen Frauen waren alle schon da, musizierten, lachten, und manche hatten schon angefangen zu tanzen. Sie hatten einen Tisch aufgestellt, auf dem Platten mit Obst, Fisch und Brot thronten, und aus der offenen Erdgrube, in der das Schwein auf heißen Kohlen schmorte, wehte aromatischer, dicker Rauch zu ihnen herüber.
Und über dem saphirblauen Meer ging die Sonne in einer Farbenexplosion aus Orange, Violett und Rot unter, die den Himmel in Brand zu setzen schien.
Bianca hatte noch nie etwas Schöneres erlebt als dieses Zusammenspiel aus Licht, Meer, Musik und dem weichen Sand unter ihren Füßen. Und sie teilte diesen Moment mit Balthazar, der neben ihr stand und ihr Glück vollkommen machte. Sie blieb reglos stehen und nahm diesen perfekten Augenblick in sich auf, um auch an dunklen Tagen noch davon zehren zu können, wenn dieses helle Glück nur noch eine süße Erinnerung war.
„Ihr sagtet, Ihr wolltet tanzen, Signora“, riss Balthazar sie aus ihren Gedanken. Er nahm ihre Hand und führte sie hinüber zur Musik und den tanzenden Paaren. „Was wäre Ihnen denn genehm? Eine Pavane? Eine Gaillarde? Ich beuge mich ganz den Wünschen Eurer Majestät.“
Bianca lachte, nahm seinen Arm und begann, sich mit den Schritten einer Allemande um ihn zu drehen. Sie fühlte sich, als sei sie eins mit der tropischen Brise und den Sternen, die hoch über ihr glitzerten. Sie gehörte nun zu Balthazar, was auch immer die Zukunft bringen würde.
„Die Herrscherin könnte sich nicht mehr wünschen als das, was sie schon hat!“, sagte sie und kam vor ihm zu einem schwindligen Halt. Sie legte die Arme um seinen Hals und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund zu drücken.
Balthazar hob sie hoch und drehte sie immer schneller, sodass vor ihren Augen, wie in einem Kaleidoskop, der Sand, das Meer, der Himmel, der Rauch und er vorbeizogen.
Und sie war wunschlos glücklich.
Stunden später, als der Mond und die Sterne am tiefschwarzen Himmel leuchteten und die hohen Flammen der Lagerfeuer noch immer am Strand loderten, ließ Bianca sich in den Sand fallen. Sie hatte stundenlang getanzt, hatte besten spanischen Wein getrunken, Obst und Spanferkel gegessen und so viel gelacht, dass sie sich kaum noch bewegen konnte.
Sie legte sich satt und zufrieden auf einen weichen Sandhügel unter einer Palme. Es wurde noch immer musiziert, aber nun wurden langsamere, leisere Melodien gespielt, Lieder von Heimat und verlorener Liebe, die der ausklingenden Feier eine melancholische, weinselige Atmosphäre verliehen. Die Männer saßen um die Feuerstellen und lauschten schweigend, während sie sich die Rumflaschen weiterreichten. Mendoza und seine Frau hatten sich zurückgezogen, aber die anderen machten noch keine Anstalten zu gehen.
Auch Bianca wollte noch nicht nach Hause, trotz der Müdigkeit, die sie verspürte. Sie konnte sich nicht vom Zauber der Musik losreißen. Sie schloss die Augen und lauschte der Melodie, der Brandung und dem knisternden Feuer.
Als sie eine Berührung auf ihrem Arm spürte, öffnete sie die Augen und sah Balthazar neben sich im Sand sitzen. Er lehnte sich gegen den Baumstamm und nahm ihre Hand. Mit dem Daumen fuhr er über den Rubinring.
„Du hast deinen Ehering abgelegt“, stellte er fest.
„Ja. Der arme Juan ist nun schon seit über einem Jahr tot. Ich habe mich zu lange an der Sicherheit, die der Ring mir gab, festgeklammert. Ich hatte den Eindruck, es sei nun an der Zeit, damit abzuschließen.“
„Wie war er denn, dein Mann?“
Hatte sie da etwa einen Anflug von Eifersucht aus Balthazars Stimme herausgehört? Bei dem Gedanken daran, dass nun auch er eifersüchtig sein konnte, genauso wie sie es früher auf seine Eroberungen gewesen war, musste sie lächeln. Aber sie hatte es sich sicher nur eingebildet.
„Er ist ein herzensguter Mann gewesen“, sagte sie. „Er hat mich immer anständig behandelt. Er hatte zu lange ohne die Annehmlichkeiten der Ehe gelebt und war voller Dankbarkeit. Wir waren gute Freunde.“
„Nicht mehr als Freunde?“
Sie sah ihn im Schein des Feuers an. „Er war schon älter und ist wohl nie ein Mann der großen
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