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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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sich. Die vollständige Anmoderation im Teleprompter. Die Stichworte auf der großformatigen Pappfläche, die der Assistent in die Höhe hielt.
    »Ein Jahr endet, ein neues beginnt. Wir sitzen zusammen und schauen zurück. Wir versuchen, herauszufinden, was wichtig war. Schön genug. Oder traurig genug, um uns ins neue Jahr zu begleiten. Die Dinge, die aus dem Alltag herausfallen und das Bleibende schaffen. Wir können sie nicht mehr vergessen. Oder wir wollen es nicht. Oder wir dürfen es nicht.«
    Er spürte Schwindel hinter der Stirn und den Impuls, den Schweiß aus den Haaren zu streichen.
    »Ich möchte heute meine Frau grüßen, die meistens vorm Fernseher sitzt, wenn ich darin zu sehen bin. Meine wichtigste und beste Kritikerin. Und meine einzige.«
    Das Publikum lachte, und er selbst lachte auch. Der Schweiß an seinem Körper fühlte sich gut an.
    »Und meine Töchter möchte ich grüßen. Hallo, ihr beiden. Wir sehen uns nachher. Wehe, ihr haltet nicht bis Mitternacht durch, ich habe jede Menge Feuerwerk vorbereitet.«
    Wieder Lachen im Publikum. Er spürte die Blicke, ohne die Menschen sehen zu können. Er sah nur das gleißende Scheinwerferlicht.
    Er fühlte sich immer leichter und betrachtete eine Weile die erste Anmoderation im Teleprompter, bevor er wieder zu sprechen begann.
    »Und begrüßen möchte ich natürlich nicht zuletzt meinen ersten Gast. Einen, den das Wohl des Zufalls im vergangenen Jahr mit seiner ganzen Wucht getroffen hat. Dieses Glückskind des Jahres ist stolze 74 Jahre alt und hat den größten Jackpot in der Geschichte des finnischen Lotteriewesens geknackt. Herzlich willkommen, Elvi Laaksola!«
    Beifall brandete auf, und ein weißhaariger Mann kam auf ihn zu, der eher verunsichert als glücklich aussah.
77
    Ein Toter im Schnee, eine Puppe auf einer Bahre, eine Frau im Publikum, und auf dem vierten Bildschirm sprach Hämäläinen mit einem Gewinner, der sagte, er sei sein ganzes Leben lang ein Verlierer gewesen.
    »Und jetzt ist es zu spät«, sagte er. »Was soll ich jetzt noch mit dem Geld anfangen? Ich habe keine Lust zu verreisen, und Auto fahren kann ich nicht mehr, wegen der Augen.«
    Hämäläinen überspielte die Situation mit einem Spaß.
    Das Publikum lachte.
    Der weißhaarige Mann blieb kratzbürstig und schien nicht gewillt zu sein, sich davon abbringen zu lassen, dass der Gewinn des Jackpots eine Zumutung war, die ihm auf seine alten Tage gerade noch gefehlt hatte.
    »Witzig«, sagte Sundström. »So will ich auch werden, wenn ich alt bin.«
    »Im Ernst?«, fragte Tuulikki.
    »War ein Scherz«, sagte Sundström.
    Der monotone Klingelton des Handys. Joentaa zog es aus seiner Hosentasche.
    »Petri?«, sagte er.
    »Hallo, Kimmo. Also, wir haben schon mal was«, sagte Grönholm.
    »Ja?«
    »Bei dem Einsturz der Halle kamen vierundzwanzig Menschen ums Leben. Wir haben die Namen.«
    »Gut.«
    »Kann ich sie dir faxen? Oder ich schicke dir die Liste in einer Mail, wenn du auf einen Computer zugreifen kannst.«
    »Ja, mach das. Bitte sofort.«
    »Klar«, sagte Grönholm. »Du wirst sehen, dass einige der Opfer identische Nachnamen haben. Vater und Sohn haben wir noch nicht herausgefiltert, das versuchen wir jetzt.«
    »Gut«, sagte Joentaa.
    »Ich melde mich, sobald ich was habe.«
    »Noch was, sind auf der Liste auch die Namen der Verletzten dabei, die überlebt haben?«
    »Äh, nein.«
    »Die brauchen wir auch.«
    »Das ist aufwändiger, das waren meiner Erinnerung nach ziemlich viele. Und es ist auch wesentlich schwieriger, diese Namen lückenlos zu ermitteln.«
    »Versucht es bitte. Und sobald du auf eine Namensgleichheit mit den Todesopfern stößt, gib sofort Bescheid. Wir suchen möglicherweise einen Mann und einen Jungen unter den Todesopfern und eine Frau unter den Überlebenden.«
    »Alles klar. Wir legen los. Bis später«, sagte Grönholm und unterbrach die Verbindung.
    Joentaa wandte sich an Tuulikki. »Können Sie Olli Latvala erreichen?«
    »Ich kann es versuchen, aber ich fürchte, das wird nichts. Er betreut die Gäste, und heute haben wir ein riesiges Programm.«
    Joentaa nickte. »Er hatte gesagt, dass zumindest von einigen Besuchern der Show Namen vorliegen. Falls es bestellte Tickets waren, die per Post versandt wurden. Ich hätte gerne diese Liste.«
    Tuulikki nickte. Sie versuchte, ihn anzuwählen, und schüttelte nach einer Weile den Kopf. »Das wird nichts. Der hat jetzt nur noch Ohren für sein Headset und die Leute, die am Ablauf der Sendung beteiligt

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