Im Zauber der Gefuehle
blickte die große, attraktive Brünette an, die ihr immer so etwas wie eine gütige ältere Schwester gewesen war. »Und Arabella!« Arabella Markenfield sah noch genauso aus wie zu Schulzeiten: hübsch und ein bisschen mollig mit erdbeerblonden Löckchen, die sich liebreizend über der makellosen Stirn türmten.
»Ich bin jetzt Lady Lexington«, klärte Samantha sie mit nicht zu übersehendem Stolz auf. »Ich habe mir einen Grafen geschnappt, niemand Geringeren, mit einem stattlichen Vermögen.« Sie schlang den Arm um Lotties Taille und drehte sie leicht zur Seite. »Er steht gleich dort drüben bei der Flügeltür zum Wintergarten. Der große mit der Halbglatze. Siehst du ihn?«
Lottie nickte, als sie einen ernst aussehenden Gentleman erblickte, der Anfang vierzig zu sein schien und Augen besaß, die in seinem schmalen Gesicht etwas zu groß wirkten. »Er sieht sehr vornehm aus«, stellte Lottie fest, und Samantha brach in schallendes Gelächter aus.
»Sehr taktvoll, meine Liebe. Ich gebe gerne zu, dass der Graf keine Augenweide ist, und Humor hat er auch keinen. Doch humorvolle Männer gehen einem so schnell auf die Nerven, und obendrein ist er ein tadelloser Gentleman.«
»Ich freue mich so für dich«, meinte Lottie aufrichtig, da sie aus früheren Gesprächen mit Samantha wusste, dass eine solche Ehe genau das war, was sie sich erhofft hatte. »Und wie steht es mit dir, Arabella?«
»Ich habe letztes Jahr in die Seaforths eingeheiratet«, raunte Arabella ihr kichernd zu. »Du hast bestimmt schon von ihnen gehört. Erinnerst du dich, eine der Töchter war eine Klasse über uns?«
»Ja«, erwiderte Lottie und entsann sich, dass es sich bei den Seaforths um eine große Familie ohne Titel handelte, die sehr viele gut bewirtschaftete Ländereien besaß. »Sag bloß, du hast ihren Bruder Harry geheiratet?«
»Genau!« Die Löckchen tanzten ihr fröhlich auf der Stirn, während sie angeregt fortfuhr: »Harry sieht ganz gut aus, auch wenn er seit unserer Hochzeit rund wie ein Fass geworden ist. Und er ist so charmant! Natürlich werde ich nie in den Genuss eines Titels kommen ... aber es gibt Entschädigungen ... meine eigene Kutsche ... eine echte französische Zofe, nicht eine von diesen Londoner Straßengören, die immer mal wieder ein >Sillwupläää< oder ein >Bonschua< von sich geben!« Sie amüsierte sich köstlich über ihren eigenen Scherz, bevor sie Lottie mit großen, runden Augen betrachtete. »Liebe Lottie, ist es wahr, dass du jetzt Lady Sydney bist?«
»Ja.« Lottie blickte in Richtung ihres Gatten, der in Begleitung von Sir Ross den Ballsaal verließ. Bei seinem Anblick spürte sie, wie ein unerwarteter Anflug von Stolz in ihrer Brust hochstieg. Er sah so männlich und graziös aus, wobei sein verwegenes, blendendes Aussehen in der eleganten Abendgarderobe besonders gut zur Geltung kam.
»Teuflisch attraktiv«, stellte Samantha fest, die ihrem Blick gefolgt war. »Ist er so verrucht, wie es immer heißt, Lottie?«
»Überhaupt nicht«, log Lottie. »Lord Sydney ist so brav und zuvorkommend wie kaum ein zweiter Gentleman.«
Es fügte sich ungünstig, dass Nick sich just in diesem Moment zu ihr umdrehte und sie mit einem brennenden
Blick streifte, der ihr die Kleider am Leib zu versengen drohte. Da Lottie wusste, was er ihr mit diesem Blick sagen wollte und was in den Nachtstunden nach dem Ball geschehen würde, spürte sie ein elektrisierendes Gefühl in ihrer Magengrube und hatte Mühe, die Fassung zu bewahren.
Samantha und Arabella hatten in der Zwischenzeit ihre Fächer entfaltet und fächelten sich aufgeregt Luft zu. »Du lieber Himmel«, zischte Samantha ihr zu, »die Art und Weise, wie er dich ansieht, ist geradezu unanständig, Lottie.«
»Ich weiß wirklich nicht, was du meinst«, erwiderte Lottie sittsam, obgleich ihre Wangen glühten.
Arabella kicherte hinter ihrem bunt bemalten Seidenfächer. »Mein Harry sieht nur so lüstern aus, wenn man ein saftiges Bratenstück vor ihn auf den Tisch stellt.«
Aus Samanthas dunklen Augen leuchtete die Neugierde. »Ich stand immer unter dem Eindruck, dass du mit Haut und Haaren Lord Radnor gehörst, Lottie. Wie bist du seinen Fängen entkommen? Und wo hast du in den letzten beiden Jahren gesteckt? Aber vor allem, wie ist es dir gelungen, dir einen Mann wie Nick Gentry zu angeln - und ist diese Sache mit dem lange verschollenen Adelssohn ein Schelmenstück?«
»Nein«, entgegnete Lottie auf der Stelle. »Er ist wirklich Lord
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