Im Zauber der Gefuehle
Lippen zitterten. »Ihr seid aufdringlich, lasst bitte meinen Arm los.«
Ohne auf ihre Bitte einzugehen, zog Radnor sie in den Schutz einer mit Grün bewachsenen Säule, wobei sich seine Finger wie ein Schraubstock um ihr Gelenk schlossen. Lottie folgte ihm ohne Gegenwehr, da sie fest entschlossen war, dass dieser hässliche Aspekt ihrer Vergangenheit nicht zu einer Szene an einem Abend führen durfte, der derart wichtig für ihren Ehemann war. Es war einfach lächerlich, dass sie sich in einem Raum voller Menschen so sehr fürchtete. Radnor konnte und würde ihr gewiss nichts antun. Wären sie jedoch allein, war sie
überzeugt, dass er sich gerechtfertigt sähe, ihr die langen Finger um den Hals zu legen und sie genüsslich zu erdrosseln.
Sein Blick glitt über sie. »Mein Gott, was hat er nur aus dir gemacht? Ich kann die Lust an dir riechen. Nur der Hauch einer Lackschicht trennte dich von den unkultivierten Bauerntrampeln, von denen du abstammst, und nun ist auch der dahin.«
»In diesem Fall«, erwiderte Lottie, wobei sich ihre gefangene Hand ohnmächtig zur Faust ballte, »solltet Ihr auf der Stelle von mir lassen, da Ihr sicher nicht von meiner Gegenwart verunreinigt werden wollt.«
»Dummes Gör«, zischte Radnor, in dessen schwarzen Augen ein kaltes Feuer loderte. »Du hast ja keine Ahnung, was dir entgangen ist. Weißt du überhaupt, was du ohne mich wärst? Nichts. Ich habe dich erschaffen ! Ich hob dich aus der Gosse empor und war dabei, dich in ein graziöses, vollkommenes Wesen zu verwandeln, aber stattdessen hast du mich verraten und deiner Familie den Rücken gekehrt.«
»Ich habe niemals um Eure Gönnerschaft gebeten.«
»Ein Grund mehr, aus Dankbarkeit vor mir auf die Knie zu fallen. Du schuldest mir alles, Charlotte, dein ganzes Leben.«
Lottie war sich darüber im Klaren, dass es zwecklos wäre, gegen seine vom Wahnsinn eingegebenen Überzeugungen anzureden. »Wie dem auch sei«, meinte sie leise, »ich gehöre jetzt Lord Sydney. Ihr habt keinen Anspruch mehr auf mich.«
Sein Mund verzog sich zu einem bösartigen, feixenden Grinsen. »Mein Anspruch auf dich erlischt nicht bloß wegen eines belanglosen Ehegelöbnisses.«
»Hattet Ihr Euch der falschen Hoffnung hingegeben,
Ihr könntet mich kaufen wie irgendeine Ware im Schaufenster?«, fragte sie verächtlich.
»Ich besitze deine Seele«, zischte Radnor und quetschte ihr Handgelenk, bis sich ihre zarten Knochen bogen und ihr vor Schmerz die Tränen in die Augen stiegen. »Ich habe sie mit meiner eigenen bezahlt. Mehr als zehn Jahre meines Lebens habe ich in dich investiert. Du wirst deine Schuld wieder gutmachen.«
»Wie denn? Ich bin die Frau eines anderen und empfinde rein gar nichts für Euch - keine Angst, keinen Hass —, lediglich Gleichgültigkeit. Auf welche Weise wollt Ihr Euch also an mir schadlos halten?«
Just in dem Augenblick, als Lottie dachte, ihr Arm würde brechen, erklang ein wütendes Knurren in ihrem Rücken. Es war Nick, der in Windeseile zwischen sie trat. Verschwommen nahm sie war, wie sein Arm nach unten schnellte und was immer er tat, brachte Lord Radnor dazu, sie mit einem schmerzvollen Stöhnen loszulassen. Lottie taumelte rückwärts, und Nick fing sie sicher an seiner Brust auf. Automatisch duckte sie sich in seine Armbeuge und hörte das tiefe Grollen seiner Stimme, als er zu Lord Radnor sprach.
»Kommt ihr nie wieder zu nahe, oder ich bringe Euch um.« Es war eine ruhige, den Tatsachen entsprechende Feststellung.
»Unverschämtes Schwein«, sagte Radnor heiser.
Als Lottie es wagte, aus dem Schutz der Arme ihres Mannes einen Blick auf Radnor zu werfen, sah sie, dass sein leichenblasses Gesicht scharlachrot angelaufen war. Offensichtlich ertrug er es kaum, mit ansehen zu müssen, wie Nick sie berührte. Da legte Nick ihr die Hand in den Nacken und ließ seine Finger ihren Rücken hinabgleiten, um den Grafen zu verhöhnen.
»Nun gut«, flüsterte Radnor. »Ich überlasse dich deiner Erniedrigung, Charlotte.«
»Verschwindet«, sagte Nick. »Sofort.«
Radnor ging, seine Körperhaltung steif von der selbstgerechten Wut eines entmachteten Monarchen.
Während Lottie das heftig schmerzende Gelenk mit der freien Hand hielt, sah sie, dass etliche neugierige Augenpaare von Leuten, die auf der Galerie auf und ab wandelten, auf sie gerichtet waren, ja, dass sie sogar im Ballsaal unten Aufmerksamkeit erregt hatten. »Nick...«, flüsterte sie, doch er handelte, bevor sie auch nur eine weitere Silbe von sich
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