Im Zauber der Gefuehle
geben konnte.
Den Arm weiterhin schützend um sie gelegt, winkte Nick einem Diener, der ein Tablett mit leeren Gläsern an ihnen vorbeitrug. »Sie«, meinte er knapp. »Kommen Sie her.«
Der dunkelhaarige Lakai gehorchte eilig. »Ja, Mylord?«
»Wo finde ich hier ein privates Zimmer?«
Der Lakai überlegte fieberhaft. »Wenn Ihr diesen Korridor entlanggeht, Mylord, kommt ihr in ein Musikzimmer, das meines Wissens zurzeit leer sein müsste.«
»Gut. Bringen Sie uns einen Brandy dorthin, aber schnell!«
»Sehr wohl, Mylord!«
Benommen ging Lottie mit Nick, als er sie durch den Korridor führte. In ihrem Kopf herrschte Chaos, während das fröhliche Lärmen des Ballsaales hinter ihnen schwächer wurde. Ihr Körper war seltsam kampfbereit; die lange gefürchtete Konfrontation mit Lord Radnor hatte sie elend, in stolzer Hochstimmung, wütend und erleichtert zurückgelassen. Wie war es möglich, so viele verschiedene Dinge auf einmal zu empfinden?
Im Musikzimmer herrschte dämmriges Licht, und die Umrisse eines Klaviers, einer Harfe und etlicher Notenständer warfen lange Schatten an die Wand. Nick schloss die Tür hinter sich und wandte sich zu Lottie um. Seine breiten Schultern schienen sie schier zu überragen, und sein Gesicht war so hart, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte.
»Es geht mir gut«, sagte Lottie, und bei dem unnatürlich hohen Klang ihrer eigenen Stimme entrang sich ihrer Kehle ein hysterisches Kichern. »Wirklich, du musst gar nicht so ...« Erneut brach sie in unbeherrschtes Lachen aus, was Nick zu der Annahme zu verleiten schien, sie habe den Verstand verloren. Niemals würde es ihr gelingen, das wilde Gefühl der Freiheit zu erklären, das sie durchflutete, nachdem sie sich ihrer größten Angst gestellt hatte.
»Es tut mir Leid«, meinte sie, während ihr Tränen der Erleichterung in die Augen stiegen. »Es ist nur ... mein ganzes Leben lang hatte ich solche Angst vor Lord Radnor ... doch als ich ihn gerade eben sah, merkte ich, dass er keine Macht mehr über mich hat. Er kann mir nichts anhaben. Ich fühle mich ihm gegenüber in keinster Weise ver-verpflichtet ... und ich fühle mich nicht einmal schuldig deswegen. Diese Last ist von mir gewichen, zusammen mit der Angst, und es fühlt sich so eigenartig an ...«
Während sie zitterte, lachte und sich die Augen mit den behandschuhten Fingern abtupfte, nahm Nick sie in die Arme und versuchte, sie zu beruhigen. »Ruhig ... ruhig ...«, flüsterte er, während er ihr zärtlich über die Schultern und den Rücken strich. »Atme tief durch. Schhhh, alles ist gut.« Sein warmer Mund senkte sich auf ihre Stirn, ihre nassen Wimpern, ihre Wangen. »Du bist in Sicherheit, Lottie. Du gehörst mir, bist meine Frau, und ich werde für dich sorgen. Bei mir bist du sicher.«
Als Lottie ihm zu erklären versuchte, dass sie keine Angst mehr habe, bat er sie, nicht zu sprechen, sondern sich einfach nur an ihn zu lehnen. Sie begann, tief einzuatmen, als sei sie eben viele Meilen ohne Unterbrechung gelaufen, und legte den Kopf mitten an seine starke Brust. Nick entledigte sich hastig seiner Handschuhe und wärmte ihre kalte Haut, indem er ihr die steifen Nackenmuskeln und verspannten Schultern mit seinen warmen, kräftigen Fingern massierte.
Da klopfte es an der Tür.
»Der Brandy«, sagte Nick leise und brachte Lottie zu einem Ohrensessel.
Lottie ließ sich in den Sessel sinken und lauschte dem dankbaren Ausruf des Lakaien, als Nick ihm seine Mühen mit einer Münze entlohnte. Dann kehrte Nick mit einem Tablett zurück, auf dem eine Flasche und ein Glas standen, und stellte es auf einen Tisch in ihrer Reichweite.
»Das brauche ich nicht«, meinte Lottie mit einem matten Lächeln.
Ohne ihren Worten Beachtung zu schenken, goss Nick einen Finger breit Brandy in das Glas und hielt das bauchige Gefäß in beiden Händen. Nachdem er das Getränk auf diese Weise gewärmt hatte, überreichte er es ihr. »Trink.«
Gehorsam griff Lottie danach. Zu ihrer eigenen Überraschung zitterten ihre Hände so stark, dass sie das Glas kaum halten konnte. Nicks Miene verdüsterte sich, als er ihre Schwierigkeiten bemerkte. Er sank vor ihr auf die Knie, wobei sich seine muskulösen Schenkel um ihre Beine schlossen. Dann bedeckte er ihre Finger mit den seinen und half ihr, das Glas an die Lippen zu führen. Sie nahm einen Schluck, verzog jedoch gleich darauf das Gesicht, als der Brandy ihr in der Kehle brannte.
»Mehr«, murmelte Nick und zwang sie, einen weiteren
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