Im Zauber der Gefuehle
gehandelt?«
Obwohl die Frage Nick überraschte, verzog er keine Miene. Die Antwort wusste er sofort ... nein. Er hätte nicht gewusst, weshalb er ein derartiges Risiko auf sich nehmen sollte, da kein finanzieller Profit damit zu machen war, das Leben von Menschen zu retten, die ihm nicht weiter von Nutzen sein könnten. Damals hätte er sie sterben lassen und hätte einen Weg gefunden, die Gewissensbisse zu verdrängen. Auf unerklärliche Weise hatte er sich verändert. Diese Erkenntnis ließ ein unbehagliches Gefühl in ihm aufkommen.
»Wer weiß«, murmelte er und zuckte möglichst unbekümmert die Schultern. »Aber was geht das Sir Ross an? Wenn ich einzig und allein zu ihm gerufen werde, damit er mir auf die Schulter klopfen kann, weil ich brav meine Arbeit ...«
»Es geht um mehr als das.«
Nick blickte düster drein. »Wenn Ihr weder eine Erklärung für mich habt noch einen neuen Auftrag, sehe ich nicht ein, weshalb ich meine Zeit damit verschwenden sollte, weiter hier herumzusitzen.«
»Ich möchte Euch keinesfalls aufhalten«, meinte der Polizeichef gutmütig. »Guten Tag, Gentry.«
Nick ging zur Tür, wandte sich jedoch noch einmal zu Morgan um, als ihm ein Gedanke kam. »Es gibt da noch einen Gefallen, um den ich Euch bitten möchte. Würdet Ihr Euren Einfluss beim Standesamt spielen lassen, damit ich bis morgen eine amtliche Heiratserlaubnis bekomme?«
»Eine Heiratserlaubnis?« Lediglich Morgans leicht zusammengekniffene Augen verrieten seine Verblüffung. »Ihr macht wohl Botendienste für Lord Radnor, wie? Warum will er das Mädchen so überstürzt heiraten? Und wieso lässt er sich dazu herab, auf dem Standesamt zu heiraten statt in der Kirche? Außerdem ...«
»Die Erlaubnis ist nicht für Radnor«, unterbrach Nick ihn. Auf einmal steckten ihm die Worte wie ein Kloß im Hals. »Sie ist für mich.«
Überraschtes Schweigen legte sich über das Zimmer, während der Polizeichef versuchte, das Gesagte zu begreifen. Schließlich gelang es ihm, sein grenzenloses Erstaunen zumindest halbwegs in den Grift zu bekommen, und er musterte Nicks gerötetes Gesicht eingehend. »Aber wen um Himmels willen wollt Ihr denn heiraten, Gentry?«
»Miss Howard«, murmelte Nick.
Der Polizeichef lachte ungläubig. »Lord Radnors Braut?« Er betrachtete Nick mit einer Mischung aus Belustigung und Staunen. »Du meine Güte, bei der Dame muss es sich um eine ungewöhnliche junge Frau handeln.«
Nick zuckte mit den Schultern. »Nicht wirklich. Ich bin lediglich zu dem Schluss gekommen, dass es praktisch wäre, eine Frau zu haben.«
»In gewisser Weise ist das sicher richtig«, meinte Morgan trocken. »Andererseits aber auch wieder nicht. Es wäre klüger gewesen, sie Radnor zu überlassen und Euch eine andere Frau zu suchen. Ihr habt Euch einen mächtigen Mann zum Feind gemacht, Gentry.«
»Mit Radnor werde ich fertig.«
Die amüsierte Resignation, mit der Morgan ihn anlächelte, verstimmte Nick zutiefst. »Nun, dann lasst mich Euch meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. Ich werde mich mit dem obersten Standesbeamten in Verbindung setzen, sodass Ihr Euch die Heiratserlaubnis morgen früh in seinem Büro abholen könnt. Außerdem lege ich Euch ans Herz, so bald wie möglich Sir Ross aufzusuchen, da seine Pläne in Anbetracht Eurer bevorstehenden Eheschließung umso bedeutsamer sind.«
»Ich kann es kaum erwarten, davon in Kenntnis gesetzt zu werden«, meinte Nick sarkastisch, was den Polizeichef zu einem Grinsen veranlasste.
Dann verließ Nick das Revier in der Bow Street, wobei er sich grimmig fragte, welche geheimen Pläne sein manipulativer Schwager ausheckte.
Immer mehr Wolken verhüllten die warme Aprilsonne, und die Luft wurde zunehmend kühl und feucht. Nick ritt von der Themse weg in Richtung Westen. Als sich nach einer Weile die dunkle Silhouette von Lord Radnors Anwesen bedrohlich in der Ferne erhoben, trieb Nick i sein Pferd zu einem schnellen Trab an. Die Hufe des schönen Fuchses knirschten gleichmäßig auf dem Kiesweg, der zum Haus führte. Bei Nicks letztem und einzigen Besuch auf dem Anwesen war es darum gegangen, Radnors Auftrag zu übernehmen. Alles weitere war über Bevollmächtigte des Grafen abgelaufen, denen Nick re- | gelmäßig Zwischenberichte geschickt hatte.
Als Nick das kleine Emailledöschen mit dem Miniaturporträt in seiner Jackentasche spürte, bereute er es einen Moment lang, das Kleinod nun Radnor zurückgeben zu müssen. Nick hatte es zwei Monate lang bei sich
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