Im Zauber der Gefuehle
Gentry gerne auf seinen Fersen weiß.«
»Das glaube ich gerne«, meinte Lottie trocken, doch der sarkastische Ton in ihrer Stimme entging der Hausangestellten.
»Mr. Gentry ist ein tapferer, wagemutiger Mann«, fuhr Mrs. Trench unbeirrt fort. »Seit dem Brand bei Barthas würde das gewiss niemand mehr bestreiten.«
»Welcher Brand?«
»Ihr habt nicht davon gehört? Vor nicht allzu langer Zeit rettete der Herr einen Weinhändler und seine gesamte Familie vor dem Flammentod in ihrem eigenen Haus. Sie wären ganz bestimmt umgekommen, wäre Mr. Gentry ihnen nicht zu Hilfe geeilt. Die Times hat über die Sache berichtet, und der Herr war in ganz London Stadtgespräch.«
»Mr. Gentry hat die Angelegenheit mit keiner Silbe erwähnt«, erwiderte Lottie, der es schwer fiel, diese Neuigkeit mit ihrem bisherigen Bild des Mannes in Einklang zu bringen.
Mrs. Trench schien sich dazu durchzuringen, das Thema fallen zu lassen. »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt, Miss Howard, werde ich nachsehen, ob das Gästezimmer gut gelüftet wurde und man Eure Sachen verstaut hat.«
»Ja, natürlich.« Im Anschluss an den Braten trank Lottie ein Glas Wein, der zur Hälfte mit Wasser verdünnt war. Nick Gentry, der sein Leben für andere Menschen aufs Spiel setzte ... es war schwer, sich dies vorzustellen.
Wie viel leichter war es, in Gentry den reinen Schurken zu sehen. Du lieber Himmel, über diesen Kerl konnte man wochenlang nachgrübeln, ohne zu einem endgültigen Ergebnis zu gelangen — war er ein guter Mann, der lediglich den Schurken mimte, oder ein Bösewicht, der manchmal so tat, als sei er gut?
Der Wein machte sie schläfrig, und Lottie saß mit geschlossenen Augen zurückgelehnt auf ihrem Stuhl, als ein Lakai erschien, um den Tisch abzuräumen. Ein halbherziges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie darüber nachsann, wie seltsam es war, einen Mann zu heiraten, um zu vermeiden, einen anderen heiraten zu müssen. Die Aussicht, demnächst Mrs. Nick Gentry zu sein, war um einiges verlockender, als sich weiterhin vor Lord Radnor und seinen Häschern verstecken zu müssen. Außerdem hatte Gentry ihr gezeigt, dass das Arrangement auch seine ... Vorzüge hatte.
Als sie daran dachte, wie seine Hände sie berührt hatten, wurde ihr ganz heiß, und tief in ihrem Magen machte sich ein Kribbeln breit. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie sich sein Mund auf ihren Brüsten angefühlt hatte ... sein Haarschopf seidig das Innere ihrer Arme gestreift hatte ... wie seine langen, rauen Finger sanft über ihre ...
»Miss Howard.«
Schuldbewusst fuhr sie auf und wandte sich zur Tür. »Ja, Mrs. Trench?«
»Das Gästezimmer ist fertig. Wenn Ihr mit dem Essen fertig seid, wird Euch ein Dienstmädchen dabei behilflich sein, die Reisekleider auszuziehen.«
Lottie nickte dankbar. »Ich würde gerne ein Bad nehmen, wenn das möglich ist.« Obwohl sie die Dienstboten nicht gern damit behelligte, Wasserkrüge die Treppen hinaufzuschleppen, fühlte sie sich zu staubig und erschöpft, um auf ein warmes Bad verzichten zu können.
»Gewiss. Möchtet Ihr vielleicht ein Duschbad nehmen, Miss? Mr. Gentry hat oben im Badezimmer eine Dusche mit heißem und kaltem Wasser installieren lassen.«
»Tatsächlich?« Neugierde ergriff Besitz von Lottie, denn sie hatte schon von etlichen wohlhabenden Haushalten gehört, die mit Duschbädern ausgestattet waren, ohne dass sie jedoch selbst schon einmal eins gesehen hätte. Selbst auf Stony Cross Park mit all seinen Annehmlichkeiten hatte es keine Rohrleitungen mit heißem Wasser gegeben. »Ja, das würde ich sehr gerne!«
Die Haushälterin lächelte über die Begeisterung, die ihr entgegenschlug. »Harriet wird sich um Euch kümmern.«
Harriet war ein junges Dienstmädchen mit Brille, das das dunkle Haar unter einer weißen Haube verborgen trug. Höflich führte sie Lottie in die oberen Gemächer. Das Ankleide- und das Badezimmer betrat man vom größten Schlafgemach aus, das zweifelsohne dem Hausherrn gehörte. Darin stand ein Himmelbett mit auf Hochglanz poliertem Schnitzwerk und einem bernsteinfarbenen Seidenbaldachin. Das große Bett war ungewöhnlich tief, sodass keinerlei Stufen benötigt wurden, um auf die Matratze zu klettern. Als Lottie einen flüchtigen Blick auf die üppigen Kissen und Nackenrollen warf, ergriff eine gewisse Nervosität Besitz von ihr. Sofort wandte sie ihre Aufmerksamkeit den Wänden zu, die eine handbemalte Tapete mit einem chinesischen Muster aus Vögeln und Blumen
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