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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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züchtig bedeckt war, ließ sie sich auf der samtenen Tagesdecke nieder und zog sich die dicken Baumwollstrümpfe über die Waden. Insgeheim fragte sie sich, wie viele Frauen hier schon gebadet und die Nacht verbracht hatten. In Gentrys Bett musste ein Betrieb wie im Bordell herrschen. »Ich nehme an, Sie haben schon etliche weibliche Gäste hier in Mr. Gentrys Haus umsorgt«, meinte sie und griff nach ihrem Strumpfband.
    Harriets Antwort überraschte sie. »Nein, Miss Howard.«
    Aus Verblüffung entglitt ihr beinahe das Strumpfband. »Wie bitte?« Mit hochgezogenen Brauen starrte sie das Dienstmädchen entgeistert an. »Aber ich bin doch sicher nicht die erste Frau, die er hierher gebracht hat!«
    »Doch, soviel ich weiß, schon, Miss.«
    »Aber das ist unmöglich!« Sie hielt kurz inne, um dann mit bewusster Unverblümtheit fortzufahren: »Ich bin mir sicher, dass Mr. Gentry schon einen ganzen Harem in seinem Schlafzimmer hatte.«
    Das Dienstmädchen schüttelte den Kopf. »Damenbesuch hat es hier meines Wissens noch nie gegeben ... jedenfalls nicht solchen. Natürlich gab es nach dem Feuer bei Barthas unzählige Brief und Besuche von Verehrerinnen.« Ein verschlagenes Grinsen umspielte Harriets Mundwinkel. »Die gesamte Straße hinunter standen die Kutschen Schlange, und Mr. Gentry hat sich nicht mehr vor die Tür getraut, weil jeden Morgen eine Menschenmenge auf ihn wartete.«
    »Hmmm.« Lottie band das Strumpfband fest und griff nach dem zweiten. »Aber er hat noch nie eine Geliebte ins Haus gebracht?«
    »Oh nein, Miss.«
    Anscheinend war Gentry gewissenhafter als erwartet -oder er zog es vor, das Haus ganz für sich zu haben. Offensichtlich befriedigte er seine sexuellen Gelüste in einem Bordell, oder - welch unappetitlicher Gedanke! -seine Triebe waren so niederer Natur, dass er die Dienste der Prostituierten in Anspruch nahm, die ihren Körper in dunklen Gassen und Hinterhöfen feilboten. Doch er wirkte anspruchsvoller, und die Art, wie er sie berührt hatte, zeugte eher von der Anerkennung eines Connaisseurs als von einem instinktgetriebenen Rohling. Auf der Stelle begann ihr Gesicht zu glühen, und sie versuchte, ihre Scham zu überspielen, indem sie dem Dienstmädchen weitere Fragen stellte.
    Lottie fand bald heraus, dass das Dienstmädchen beim Thema Mr. Gentry um einiges redseliger war als Mrs. Trench. Laut Harriet war Gentry selbst seiner eigenen
    Dienerschaft ein Rätsel, da man nie wissen konnte, was man von ihm zu erwarten hatte. Privat gebahrte er sich ganz wie ein Gentleman, während er ansonsten keineswegs vor der Gewalt zurückschreckte, die sein Beruf mit sich brachte. Er konnte bissig sein oder freundlich, brutal oder sanft, ganz wie seine sprunghaften Stimmungsschwankungen es ihm gerade eingaben. Wie jeder Bow-Street-Runner hatte Gentry unregelmäßige Arbeitszeiten und konnte jederzeit zu einem Unglücksort, einem Mordfall oder der Verfolgung eines ganz besonders gefährlichen Schwerverbrechers gerufen werden. Kein einziger Tag verlief wie der letzte, und Routine kannte er in seinem Leben nicht, was ihm jedoch gelegen kam, da er ohnehin nicht gerne Zukunftspläne schmiedete. Seltsamerweise schien er unter Schlafstörungen zu leiden und wurde gelegentlich sogar von Albträumen heimgesucht.
    »Was für Albträume?«, wollte Lottie fasziniert wissen.
    »Das sagt er nicht, nicht einmal seinem Kammerdiener Dudley. Aber manchmal macht er beim Schlafen die Furcht erregendsten Geräusche, und wenn er aufwacht, geht er für die ganze restliche Nacht nicht mehr ins Bett. Dudley meint, es müssen Dinge sein, an die Mr. Gentry sich noch aus seiner Zeit in der ...» Harriet hielt inne und warf Lottie einen wachsamen Blick zu.
    »An die er sich noch aus seiner Zeit in Unterweltskreisen erinnert?«, fragte Lottie gelassen. »Ja, ich weiß über Mr. Gentrys kriminelle Vergangenheit Bescheid.«
    »Er war kein Krimineller, Miss, jedenfalls kein richtiger. Ein Privatermittler war er, aber ihm gehörte ein Bordell in der Nähe von Fleet Ditch, und das eine oder andere Mal hat er auf Staatskosten gegessen.«
    »Er war im Gefängnis, meinen Sie?«
    Harriet nickte und fügte mit stolz geschwellter Brust hinzu: »Zweimal ist er ausgebrochen, unser Mr. Gentry. Man sagt, es gäbe kein Gefängnis, aus dem er nicht entkommen kann. Das zweite Mal war er sogar mit schweren Ketten im Devil's Closet gefesselt, dem Innersten von Newgate. Und er ist einfach so hinausspaziert.«
    Harriets Bericht überraschte Lottie nicht,

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