Im Zauber der Gefuehle
verspürt ... danach, einfach nur mit ihr im selben Zimmer sein zu dürfen.
Mein Gott, dachte er entsetzt, als er ans Fenster trat und blind in die Nacht stierte. Was geschieht mit mir?
Sir Grant Morgan blickte von seinem Schreibtisch auf, als Nick frühmorgens in sein Büro gestürmt kam. ln den grünen Augen des Polizeichefs war nicht die Spur von Verlegenheit oder einer Entschuldigung zu erkennen. »Wie ich sehe, habt Ihr mit Sir Ross gesprochen«, sagte er lapidar.
Nick machte seinem Zorn in der derbsten Ausdrucksweise Luft, die sich in der englischen Sprache denken ließ, und warf dem älteren Mann Anschuldigungen an den Kopf, die jeden anderen dazu veranlasst hätten, sich angstvoll unter dem Tisch zu verstecken oder wutentbrannt nach einer Pistole zu greifen. Morgan hingegen hörte sich Nicks Monolog so ruhig und gelassen an, als handele es sich um eine Beschreibung des Wetters.
Schließlich meinte er seufzend. »Genug jetzt, Ihr fangt an, Euch zu wiederholen. Wenn Ihr nichts Neues mehr hinzuzufügen habt, könnt Ihr Euch ebenso gut Euren Atem sparen. Zu Eurem letzten Vorwurf — dass Sir Ross hier immer noch die Fäden zieht — kann ich nur sagen, dass die Entscheidung, Euch aus der Einsatztruppe zu entfernen, von uns beiden gleichermaßen stammt.«
Bis zu jenem Augenblick war Nick nie bewusst gewesen, wie wichtig Morgans Meinung ihm war, doch die Worte des Polizeichefs versetzten ihm einen schmerzvollen Stich und das niederschmetternde Gefühl, verraten und im Stich gelassen worden zu sein. »Warum?«, hörte er sich selbst mit heiserer Stimme fragen. »War meine Arbeit so unbefriedigend? Was mehr hätte ich denn tun können? Ich habe jeden Fall gelöst und mit wenigen Ausnahmen jeden Verbrecher gefangen, auf dessen Fährte Ihr mich angesetzt habt - und ich hielt mich dabei an die Regeln, ganz so, wie Ihr es wolltet. Ich habe alles getan, worum Ihr mich gebeten habt. Mehr sogar.«
»Es gab nie die geringste Kritik an Eurer Arbeit«, sagte Morgan leise. »Ihr habt Eure Pflicht vorbildlich erfüllt, und ich habe noch nie einen Mann getroffen, der so tapfer oder gerissen gewesen wäre.«
»Dann stützt mir den Rücken gegen Sir Ross«, verlangte Nick barsch. »Sagt ihm, er kann sich diese verfluchte königliche Vorladung sonstwohin stecken — dass Ihr mich hier in der Bow Street braucht.«
Ihre Blicke trafen sich, und nach einer Weile veränderte sich etwas in Morgans Miene. In seiner trotzigen Wut stellte Nick fest, dass der andere beinahe väterliche Züge angenommen hatte, obgleich der Polizeichef nur etwa zehn Jahre älter war als er selbst.
»Setzt Euch«, sagte Morgan.
»Nein, ich ...«
»Bitte.« Die Einladung wurde höflich, aber überaus bestimmt vorgetragen.
Bitte! Nick ließ sich quasi unter Schock in den nächsten Sessel fallen. Dieses Wort hatte Morgan noch nie zuvor gebraucht — Nick hätte nicht gedacht, dass es überhaupt Teil seines Wortschatzes war. Die Armlehnen des abgewetzten Ledersessels umklammert, blickte Nick den Polizeichef wachsam an.
Dann begann Morgan zu sprechen. In den drei Jahren ihrer Bekanntschaft hatte er niemals auf diese Art und Weise mit ihm gesprochen: mit freundlicher, ja geradezu väterlicher Besorgnis in der Stimme. »Ich will nicht, dass Ihr länger in der Bow Street bleibt, Gentry. Gott weiß, dass es nichts mit Eurer Arbeit zu tun hat, Ihr seid der beste Runner, der mir jemals untergekommen ist. Seit Ihr hierher kamt, habe ich versucht, Euch ein wenig zu leiten, soweit Ihr es zuließt, und habe gesehen, wie ihr Euch von einem eigensüchtigen Bastard zu einem Mann gewandelt habt, den ich als zuverlässig und verantwortungsbewusst bezeichnen würde. Doch es gibt eine Sache, die sich leider nicht gelegt hat: Von Anfang an habt Ihr im Laufe Eurer Arbeit an Selbstmord grenzende Risiken in Kauf genommen, ohne Euch auch nur im Geringsten um Euer Schicksal oder das eines anderen zu scheren. Und meiner Meinung nach wird sich an Eurer Vorgehensweise nichts ändern, wenn Ihr hier bleibt — bis Ihr Euch Euer eigenes Grab geschaufelt habt.«
»Was kümmert Euch das?«
»Ich war zehn Jahre lang Runner und habe mit ansehen müssen, wie etliche Männer im Dienst ums Leben kamen. Ich selbst bin das eine oder andere Mal nur mit knapper Mühe und Not davongekommen. Es kommt jedoch der Zeitpunkt, wenn ein Mann sein Schicksal oft genug herausgefordert hat, und sollte er zu stur oder zu dumm sein, das einzusehen, wird er diesen Irrtum mit seinem Blut bezahlen. Ich
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