Im Zauber der Gefuehle
verkaufen würde, wie er es so lange getan hatte. Und er hat das verstanden.«
»Aber was soll aus den Männern werden?«, wollte Nick wissen, der an seine Kameraden dachte ... Sayer, Flagstad, Gee, Ruthven ... begabte Männer, die dem öffentlichen Wohl mutig und mit Hingabe gedient hatten — für einen Hungerlohn.
»Ich denke, der eine oder andere wird sich der neuen Polizei anschließen, wo sie natürlich dringend gebraucht werden. Wieder andere werden völlig neue Berufe ergreifen. Ich selbst spiele mit dem Gedanken, ein Detektivbüro zu eröffnen und kann dort sicher zwei oder drei von ihnen eine Zeit lang unterbringen.« Morgan zuckte mit den Schultern.
»Himmelherrgott, ich war fort, um einen einzigen privaten Auftrag zu erledigen, und kaum komme ich zurück, muss ich feststellen, dass das ganze verfluchte Revier im Niedergang begriffen ist!«
Der Polizeichef lachte leise. »Geht nach Hause zu Eurer Frau, Sydney, und macht Euch daran, Pläne zu schmieden. Euer lieben wird sich verändern, ganz gleich, wie sehr Ihr Euch dagegen zur Wehr setzt.«
»Ich werde nicht Lord Sydney sein«, knurrte Nick.
In den grünen Augen funkelte wohlwollende Respektlosigkeit. »Es gibt schlimmere Schicksale, Mylord. Ein Titel, Ländereien, eine Frau ... wenn Ihr daraus nichts machen könnt, ist allerdings sämtliche Hoffnung verloren.«
Zehntes Kapitel
»Etwas in zartem Gelb, würde ich sagen«, meinte Sophia bestimmt, die inmitten so vieler Stoffe saß, dass es den Anschein hatte, als sei ein Regenbogen explodiert.
»Gelb«, wiederholte Lottie und nagte an der Unterlippe. »Ich glaube nicht, dass das meinem Teint schmeicheln würde.«
Da dies mindestens der zehnte Vorschlag war, den Lottie zurückwies, seufzte Sophia und schüttelte lächelnd den Kopf Sie hatten das Hinterzimmer ihrer Schneiderin in Beschlag genommen, um eine Aussteuer für Lottie zusammenzustellen.
»Es tut mir Leid«, sagte Lottie aufrichtig. »Ich möchte nicht schwierig sein, aber ich habe eben wenig Erfahrung mit so etwas.« Es war ihr nie gestattet gewesen, sich den Schnitt oder die Farbe ihrer Kleider selbst auszusuchen. Lord Radnors Anweisungen zufolge hatte sie immer keusch geschnittene Kleider in dunklen Tönen getragen. Deshalb fiel es ihr nun schwer, sich selbst in strahlendem Blau oder Gelb oder — um Himmels willen! — Rosa vorzustellen. Und der Gedanke, in aller Öffentlichkeit die ganze obere Hälfte ihrer Brust zu entblößen war so unvorstellbar, dass sie das Buch mit den Schnittmustern, das Sophia ihr gezeigt hatte, sogleich furchtsam aus der Hand gelegt hatte.
Man musste Nicks älterer Schwester jedoch zugestehen, dass sie außergewöhnlich geduldig war. Sie musterte Lottie mit strahlend blauen Augen und schenkte ihr ein einschmeichelndes Lächeln, das große Ähnlichkeit zu dem ihres Bruders aufwies.
»Lottie, Liebes, du bist überhaupt nicht schwierig, aber ...«
»Du Schwindlerin!«, rief Lottie, und beide mussten lachen.
»Na gut«, gab Sophia mit einem Grinsen zu, »du bist sogar entsetzlich schwierig, auch wenn ich nicht glaube, dass es mit Absicht geschieht. Deshalb habe ich zwei Bitten an dich. Erstens, denke immer daran, dass es hier nicht um Leben und Tod geht. Ein Kleid auszusuchen ist gar nicht so kompliziert, besonders dann nicht, wenn man von einer klugen und modebewussten Freundin beraten wird — in diesem Falle meiner Wenigkeit.«
Lottie lächelte. »Und die zweite Bitte?«
»Die zweite lautet: Bitte vertrau mir.« Als Sophia ihr tief in die Augen sah, wurde Lottie klar, dass sich die faszinierende Ausstrahlung nicht auf die männlichen Familienmitglieder der Sydneys beschränkte. Nicks Schwester konnte eine Mischung aus Herzenswärme und Selbstbewusstsein ihr Eigen nennen, die unwiderstehlich war. »Ich würde dir niemals zu etwas raten, das dich schlampig oder vulgär aussehen ließe«, versprach sie. »Ich verfüge über ausgezeichneten Geschmack und verkehre nun schon seit geraumer Zeit in der Londoner Gesellschaft, während du ...« Sie zögerte.
»Während ich in Hampshire begraben war?«, schlug Lottie vor.
»Ja, genau. Und wenn du darauf bestehst, dich so langweilig und hausbacken zu kleiden, wie es vielleicht für eine Frau angemessen wäre, die doppelt so alt ist wie du, wirst du nur negativ auffallen und dich unwohl fühlen. Außerdem würde es zweifellos ein schlechtes Licht auf meinen Bruder werfen, denn die Klatschtanten werden einander zutuscheln, dass er ein großer Geizkragen sein muss,
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