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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Ross’ unverbesserlichem Ordnungsstreben zu tun. Nick war als Viscount zur Welt gekommen und musste diese Stellung wieder einnehmen, gleichgültig, wie wenig er dafür geeignet war.
    Nick dachte darüber nach, was er über den Hochadel wusste, über die Gewohnheiten und feierlichen Rituale der Peers, die unzähligen Verhaltensregeln und wie weit sich die Aristokratie von der Wirklichkeit des alltäglichen Lebens entfernt hatte. Er versuchte sich vorzustellen, wie er den Großteil seiner Zeit in Salons totschlug oder im Club saß und raschelnd in der Zeitung blätterte; Reden im Oberhaus hielt, um das eigene soziale Gewissen zu beruhigen; an Abendgesellschaften teilnahm und über Kunst und Literatur schwafelte oder Gerüchten über andere Gentlemen in Seidenstrümpfen lauschte.
    Panik überkam ihn. Er hatte sich nicht mehr so gefangen und ohnmächtig gefühlt, seit man ihn in den dunklen, stinkenden Laderaum des Gefängnisschiffes hinabgelassen und neben den verdorbendsten Gestalten, die man sich nur vorstellen konnte, angekettet hatte. Mit dem Unterschied, dass er damals gewusst hatte, dass die Freiheit jenseits des Rumpfes des vor Anker liegenden Schiffes lag, während es aus seiner jetzigen Situation kein Entkommen gab.
    Wie ein Tier im Käfig, gingen seine Gedanken wütend im Kreis und suchten verzweifelt nach einem Ausweg.
    »Gentry!« Der freundliche Ausruf unterbrach seinen Gedankengang.
    Eddie Sayer kam mit seinem gewohnt spitzbübischen Grinsen auf Nick zu. Sämtliche Runner mochten den großen, verwegenen, überaus sympathischen Sayer, und er war es, dem Nick in brenzligen Situationen am meisten vertraute. »Endlich bist du wieder da!«, rief der andere und schüttelte ihm kräftig die Hand. Unter seiner triefenden Hutkrempe blitzten braune Augen hervor. »Wie ich sehe, kommst du gerade vom Revier. Ohne Zweifel hat Sir Grant dir einen verteufelten Auftrag erteilt, mit dem du deine lange Abwesenheit wieder gutmachen sollst.«
    Nick stellte fest, dass ihm im Gegensatz zu sonst keine schlagfertige Antwort auf den Lippen lag. Er schüttelte den Kopf, unfähig zu erklären, wie sein Leben innerhalb weniger Wochen völlig auf den Kopf gestellt worden war. »Kein Auftrag«, brachte er schließlich heiser hervor. »Ich bin entlassen worden.«
    »Was?« Sayer starrte ihn entgeistert an. »Du meinst für immer? Du bist Morgans bester Mann! Warum zum Teufel sollte er das tun?«
    »Weil ich stattdessen ein Viscount sein werde.«
    Da verschwand der verwirrte Ausdruck aus Sayers Gesicht, und er brach in schallendes Gelächter aus. »Und ich der Herzog von Devonshire.«
    Nick brachte nicht einmal ein Lächeln zustande, sondern starrte Sayer nur verbittert an, was das amüsierte Lachen des anderen schließlich dämpfte.
    »Gentry«, meinte Sayer, »ist es nicht ein bisschen früh für dich, im Vollrausch durch die Straßen zu laufen?«
    »Ich habe nicht getrunken.«
    Ohne auf die Bemerkung einzugehen, wies Sayer auf Toms Kaffeehaus. »Komm, wir versuchen, dich ein bisschen mit Kaffee auszunüchtern. Vielleicht ist Linley da; der kann mir dabei helfen, herauszufinden, was dich so wirrköpfig gemacht hat.«
    Nach etlichen Tassen Kaffee, die großzügig mit Zucker gesüßt worden waren, fühlte sich Nick wie eine Taschenuhr, die man zu heftig aufgezogen hatte. Er fand keinen Trost in der Gesellschaft von Sayer und Linley, die offensichtlich nicht recht wussten, was sie mit seiner unglaublichen Behauptung anfangen sollten. Sie fragten immer wieder nach Einzelheiten, die er ihnen nicht liefern konnte, weil er sich sträubte, über das zu reden, was er seit anderthalb Jahrzehnten zu vergessen suchte. Schließlich ließ er sie in dem Kaffeehaus sitzen und trat wieder hinaus in den strömenden Regen. Die einzige Zeit in seinem Leben, in der er freie Entscheidungen hatte treffen können, waren seine Jahre als Verbrecherkönig gewesen, dachte er verbittert. Es wäre verdammt einfach, über die Gewalt und den Schmutz dieser Jahre hinwegzusehen und nur daran zu denken, wie sehr er es genossen hatte, Sir Ross bei jeder Gelegenheit hinters Licht zu führen. Hätte ihm damals jemand gesagt, dass er für die Bow Street arbeiten würde, heiraten, und eines Tages gezwungen wäre, den verfluchten Familientitel anzunehmen ... du lieber Himmel! Er hätte alles daran gesetzt, seinem Schicksal zu entgehen.
    Doch er wusste selbst nicht, was er hätte anders machen können. Der Handel mit Sir Ross war unvermeidbar gewesen und von dem Augenblick

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