Im Zauber der Gefuehle
wunderschönen Dosen bestellte, auf denen so faszinierende Namen wie Gunpowder, Congou und Souchong zu lesen standen.
Während Lottie an den Paketberg dachte, der im Laufe des Tages in das Haus in der Betterton Street geliefert werden würde, flehte sie ihn an, davon abzulassen. »Ich brauche nichts mehr«, erklärte sie mit Nachdruck, »und ich weigere mich, den Fuß in noch einen einzigen Laden zu setzen. Es besteht kein Grund, derart maßlos zu sein.«
»Doch, den gibt es«, erwiderte Nick und geleitete sie zu ihrer wartenden Kutsche, in der sich die Päckchen und Schachteln bereits stapelten.
»Ach, und der wäre?«
Er antwortete mit einem unwiderstehlichen Lächeln.
Er wollte durch die Geschenke doch gewiss nicht ihre sexuelle Gefügigkeit erkaufen, denn diesbezüglich hatte sie sich ohnehin mehr als willig gezeigt! Vielleicht wollte er einfach nur, dass sie sich ihm verpflichtet fühlte? Doch weshalb?
Das Leben mit Nick Gentry an ihrer Seite stellte sich als sehr verwirrend und undurchschaubar heraus, es bestand aus Augenblicken versengender Nähe, doch Lottie wurde auch immer wieder daran erinnert, dass sie in vielerlei Hinsicht Fremde waren. Sie verstand nicht, warum Nick jede Nacht ihr Bett verließ, nachdem sie einander geliebt hatten, und sich nicht ein einziges Mal gestattete, neben ihr einzuschlafen. Nach allem, was sie miteinander geteilt hatten, schien ihr eine Nacht Seite an Seite völlig harmlos zu sein, doch er lehnte ihre unbeholfenen Einladungen mit der Behauptung ab, auf diese Weise wäre es bequemer für sie beide.
Rasch lernte Lottie, dass bestimmte Themen ihn regelmäßig in Wut geraten ließen. Niemals durfte sie ihn irgendetwas bezüglich seiner Jugend fragen, und jede Bemerkung, die auf die Zeit abzielte, bevor er den Namen Nick Gentry angenommen hatte, erntete einen Zornausbruch. Wenn er wütend wurde, schrie er nicht und warf auch nicht mit Gegenständen, sondern wurde kühl und ruhig und verließ das Haus, um erst zurückzukehren, wenn sie längst zu Bett gegangen war. Außerdem fand sie heraus, dass Nick es nie zuließ, auf irgendeine Art verletzbar zu sein, sondern es vorzog, sich und seine Umwelt völlig unter Kontrolle zu haben. Er hielt es für nicht mannhaft, zu viel Alkohol zu trinken — sie wartete vergeblich darauf, ihn jemals betrunken zu sehen. Selbst Schlaf schien er für einen Luxus zu halten, den er sich nicht allzu oft gönnte, als könne er es sich nicht leisten, in ungeschützten Schlummer zu versinken. Laut Sophia hatte Nick sich noch nie durch Verletzungen oder Krankheit behindern lassen; in seiner Sturheit weigerte er sich einfach, Schmerz oder Schwäche nachzugeben.
»Warum?«, hatte Lottie Sophia verwundert gefragt, als sie bei einer Anprobe waren und darauf warteten, dass man ihnen die Kleider herausbrachte. »Wovor hat er so viel Angst, dass er es sich nicht erlauben kann, auch nur einen Augenblick schutzlos zu sein?«
Einen Moment lang hatte Nicks ältere Schwester sie mit dem offenkundigen Verlangen angesehen, ihr eine Antwort zu geben. In ihren tiefblauen Augen lag Trauer. »Ich hoffe, dass er sich dir eines Tages anvertraut«, sagte sie leise. »Es ist eine große Last, die er da alleine trägt, und ich bin mir sicher, dass er Angst davor hat, wie du reagieren könntest, wenn er es dir erzählt.«
»Was erzählt?«, drängte Lottie, doch zu ihrer Enttäuschung blieb Sophia ihr die Antwort schuldig.
Ein großes, schreckliches Geheimnis. Lottie konnte sich nicht vorstellen, was es sein mochte. Sie konnte höchstens vermuten, dass er jemanden umgebracht hatte, vielleicht aus Wut — das war das Schlimmste, was sie sich denken konnte. Dass er in der Vergangenheit Verbrechen begangen hatte, wusste sie, dass er Dinge getan hatte, die sie wahrscheinlich entsetzlich fände. Er war jedoch so vorsichtig und auf eine gewisse Weise distanziert, dass es so aussah, als würde sie ihn niemals ganz kennen lernen.
Andererseits war Nick jedoch ein unerwartet zärtlicher und großzügiger Ehemann. Er bat sie, ihm sämtliche Regeln anzuvertrauen, die man ihr in der Schule beigebracht hatte, und anschließend brachte er sie dazu, jede einzelne zu brechen. Es gab Nächte, in denen er ihre Sittsamkeit unter Beschuss nahm, indem er sie bei Lampenlicht auszog und sie zusehen ließ, wie er sie von Kopf bis Fuß küsste ... und wieder Nächte, in denen er exotische Techniken beim Liebesspiel einsetzte, die sie zugleich beschämend und bis ins Unerträgliche erregend fand.
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