Im Zauber des Highlanders
führen, das die Frauen für sie hatten herrichten lassen.
Sie schloss sich ein, brach schluchzend auf dem Bett zusammen und weinte bis zur Erschöpfung. Irgendwann fiel sie in tiefen Schlaf. Sie hasste Cian, weil er sie dazu gebracht hatte, ihn zu mögen, obwohl er immer gewusst hatte, dass er nicht mehr lange leben würde, und weil er ihr nichts von seinem nahen Tod erzählt hatte. Doch während sie sich die Augen ausweinte, sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Körpers danach, wieder in die Bibliothek zu gehen und sich so nah zu dem Spiegel zu setzen wie nur möglich - das war das Schlimmste. Sie verzehrte sich nach der intensiven, zärtlichen Zweisamkeit, die sie in der Nacht zuvor erlebt hatte, danach, wenigstens den Spiegel zu berühren, wenn sie schon Cian nicht in Fleisch und Blut vor sich haben konnte.
Sie bettelte um Almosen.
Das, was Gwen gerade gesagt hatte, war ihr gestern auch durch den Kopf gegangen. In ihrem Selbstmitleid und ihrer sinnlosen Wut hatte sie auch lichte Momente gehabt. Ja, natürlich sah sie ein, dass er nach einer Ewigkeit allein in einer steinernen Hölle nicht nur bereit war zu sterben, sondern den Tod sogar willkommen zu heißen.
Allerdings machte ihre Einsicht nichts besser.
Sie hatte einmal in einer Zeitschrift über eine Krankenschwester gelesen, die sich in einen unheilbar kranken Patienten verliebt hatte, der nur noch zehn oder zwölf Monate zu leben hatte. Im Grunde interessierte sie sich nicht für solche Geschichten, aber diese hatte sie irgendwie doch gefesselt, und sie wurde Opfer der Faszination, die viele Menschen dazu brachten, sich bei einem schlimmen Autounfall den Hals zu verrenken, um möglichst viel von dem Blut und den leblosen Körpern in den Leichensäcken zu sehen. Sie hielt die Krankenschwester für ausgesprochen dämlich, weil sie derartige Gefühle zuließ. Sie hätte den Patienten in dem Augenblick, in dem Zuneigung zu ihm aufkam, an eine Kollegin übergeben und sich in einen anderen Mann verlieben sollen.
Der Schwester war wenigstens ein knappes Jahr geblieben.
Ihrem dem Tode geweihten Patienten waren nur noch vierzehn Tage vergönnt.
»Geh bitte«, sagte Jessi zu Gwen.
»Jessi, wir kennen uns noch nicht sehr gut...«
»Du hast Recht, Gwen, wir kennen uns nicht. Lass mich bitte für eine Weile allein. Du kannst ihm sagen, dass ich ihm nicht zusehe. Versprochen.« Sie meinte es wirklich so. Sie würde seine Wünsche respektieren. Sie machte das Fenster zu, verriegelte es und zog den schweren Damastvorhang vor.
Gwen schwieg.
»Bitte, Gwen, geh.«
Sekunden später hörte Jessi einen tiefen Seufzer und ein Klicken, als die Tür zugezogen wurde.
Lucan fuhr sich mit den Fingern durch die Haare an den Schläfen. Seine Handflächen waren heiß, das Fleisch glühte, die Fingerspitzen waren geschwärzt.
Das war nicht wichtig. In wenigen Minuten würden die letzten Spuren von Hans' Missgeschick verschwinden.
Er trat ungerührt an den verkohlten Leichnam heran.
Er verbreitete einen scheußlichen Geruch und musste aus dem Pub entfernt werden.
Während sich Lucan einen Weg durch die vornehme, mit Holz vertäfelte Bar mit den behaglichen Nischen und ledergepolsterten Möbeln bahnte, murmelte er einige Zaubersprüche vor sich hin, um seine wahre Erscheinung und den Mann, den er gerade zu Asche verbrannt hatte, vor den Blicken der fröhlichen Gäste zu verbergen.
Schon vor Jahrhunderten hatten die Tätowierungen das, was von seinem Gesicht geblieben war, noch mehr entstellt - Ohren, Augenlider, Lippen und Zunge - alles war schwarz und rot. Seinen wahren Anblick würden Beobachter so schnell nicht vergessen. Er hatte sich sogar die Fingernägel herausgezogen, um die Haut darunter zu tätowieren. Seine Augen hatten sich verändert, kurz nachdem er die letzten roten und schwarzen Zeichen ins Innere der Nase gebrannt hatte. Noch ehe er die Runen in die Zunge gestochen hatte, hatte er sich Penis und Hoden vorgenommen, dann die Augenlider und zum Schluss die empfindliche Schleimhaut in der Nase, doch zu diesem Zeitpunkt war ihm schon jegliches Schmerzempfinden abhanden gekommen. Die Menschen reagierten oft auf eine höchst unerfreuliche Weise, wenn sie das Gesicht eines Hexenmeisters sahen.
Er hätte sich nicht bereit erklären dürfen, Hans in einem Pub zu treffen. In letzter Zeit hatten einige seiner Männer eine Vorliebe für öffentliche Treffpunkte gezeigt.
Als würde das einen Unterschied machen.
Cian MacKeltar war tatsächlich in die Highlands
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