Im Zauber des Highlanders
bieten und sich selbst zu beweisen, dass sie durchaus noch richtig im Kopf war.
Wenigstens dachte sie so, bevor sie den Fernseher einschaltete.
Rache.
Diese Vorstellung hatte Cian MacKeltar davon abgehalten, in den vergangenen tausendeinhundertdreiunddreißig Jahren seiner Einkerkerung im Dunklen Spiegel den Verstand zu verlieren oder wahnsinnig zu werden.
Von außen sah der Spiegel nicht anders aus als ein richtiger Spiegel mit einem sehr kunstvollen Rahmen. Von innen war er eine runde Gefängniszelle mit einem Durchmesser von genau fünfzehn Schritten. Und Cian war viel und oft in dieser Zelle hin-und hergelaufen. Er hatte alle Steine gezählt. Die Steine im Boden, in den Wänden, an der Decke. Alles war grau, eintönig, kalt.
Nur ein Gedanke hatte ihn während der Jahrhunderte gewärmt, war wie flüssige Lava durch seine Adern geflossen.
Rache.
Er hatte nur dafür gelebt, Atemzug für Atemzug, und war zur personifizierten Rache geworden. Seit dem Tag, an dem ihn Lucan Myrddin Trevayne, ein Mann, den er einst als seinen engsten Freund und treuesten Gefährten bezeichnet hatte, in den Dunklen Spiegel verbannt und so die Unsterblichkeit für sich selbst gewonnen hatte, malte er sich aus, wie er Rache üben würde.
Angesichts des kraftvollen Zaubers, den Lucan angewandt hatte, und der Tatsache, dass ein Häftling in diesem Kerker jeder Macht beraubt war und lediglich für kurze Zeitspannen die Freiheit genießen konnte, wenn jemand außerhalb des Spiegels den Zauberspruch sagte, hätte jeder andere die Hoffnung auf Rache längst aufgegeben und als unerfüllbar angesehen.
Aber Cian, ein echter Druide und ein Keltar noch dazu, wusste, dass so gut wie nichts unmöglich war
»Unmöglich« bedeutete in Wahrheit nur, dass etwas bisher noch nicht vorgekommen war.
Diese These hatte sich vor dreieinhalb Monaten in London eindrucksvoll bestätigt, als ein Dieb in Trevaynes Londoner Festung eingebrochen war - eine Unmöglichkeit an sich - und die kostbarsten Schätze dieses Bastards aus dem Haus geschleppt hatte. Und das nur wenige Monate vor dem Tag, an dem der Tribut, der Cian in das Relikt verbannte, fällig war!
Endlich war ihm das Glück hold. Lucan hatte den
Dunklen Spiegel verloren, gerade wenn er ihn am nötigsten brauchte.
Heute war der zehnte Tag des zehnten Monats, und Cian musste sich nur noch zweiundzwanzig Tage von Lucan fern halten - bis nach Mitternacht von Allerheiligen, dem Jahrestag seiner Verbannung-, dann konnte er endlich seinen jahrtausendalten Rachedurst stillen. Und, verdammte Hölle, er verzehrte sich nach Rache!
Jetzt, da Lucan eine Spur hatte, die ihn zu dem Dunklen Buch, dem gefährlichsten aller Unseelie-Heiligtümer führen konnte, war es von höchster Wichtigkeit, dass Cian den verfluchten Pakt, der ihn gefangen hielt, zunichte machte. Das Dunkle Buch war die Grundlage für die schwärzeste Magie, die je ein Mensch gekannt hatte, und jeder, der im Besitz dieses Buches war, hielt ein Rezept für die größte nur vorstellbare Zerstörung in Händen. Könnte Lucan »Merlin« Trevayne diesen Schatz an sich bringen, dann könnte er das Ende der Welt heraufbeschwören. Er könnte die Geschichte neu schreiben und die Zeit an sich manipulieren, sollte es ihm gelingen, einige der Zaubersprüche, die das Buch enthielt, zu entschlüsseln. Cian musste verhindern, dass Lucan das Buch an sich brachte. Er musste seinen uralten Feind ein für alle Mal besiegen.
Er hatte Lucans russischen Handlanger in dem Moment, in dem er am letzten Abend in das Büro geschlichen war, erkannt. Cian hatte Roman schon einige Male gesehen, als er in Trevaynes Londoner Stadthaus zu Besuch gewesen war. Der Spiegel hatte an der Wand in Lucans Arbeitszimmer gehangen, und zwar so, dass Cian durch die Fenster Ausblick auf eine belebte Londoner Straße hatte, auf eine Welt, in der er, ginge es nach Lucan, nie wieder leben würde.
Aber wenigstens hatte er eine Aussicht gehabt. Lucan hätte den Spiegel auch anders herum aufhängen können, und Cian bezweifelte, dass ihn seine Rachegelüste beim Anblick der nackten Wand davon abgehalten hätten, dem Wahnsinn zu verfallen. Und er hätte nicht die Gelegenheit gehabt, den Spiegel auf die Probe zu stellen, wenn sein Kerkermeister weg war, und Gegenstände, die sich in seinem Blickfeld befanden, in sein Gefängnis zu rufen. Auf diese Weise war es ihm gelungen, den Fortschritt der Zeit zu verfolgen, denn er hatte jedes Buch, alle Zeitschriften und Zeitungen verschlungen, die
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