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Im Zauber des Highlanders

Im Zauber des Highlanders

Titel: Im Zauber des Highlanders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Marie Moning
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sie die Realität nicht mehr von Phantasie hatte unterscheiden können. Sie war nicht einmal Herr ihrer Phantasien gewesen.
    Das ist unfair, dachte sie und verbiss sich ein fast hysterisches Kichern. Wenn ein Mädchen schon den Verstand verlor, sollte es wenigstens ein bisschen Spaß dabei haben. Wieso, um alles in der Welt, beschwor sie das Bild eines vollkommenen Mannes herauf und machte sich dann zum hilflosen Opfer eines bizarren Mordkomplotts?
    »Ich verstehe das nicht.« Behutsam massierte sie mit den Zeigefingern in kleinen Kreisen ihre pochenden Schläfen.
    Es sei denn, das alles war tatsächlich passiert.
    »Auf alle Fälle!« Ein Mann im Spiegel. Na klar.
    Noch immer die Finger an den Schläfen hob sie den Kopf, sah sich in dem schwach beleuchteten Büro um und suchte nach Hinweisen. Nichts deutete daraufhin, dass außer ihr noch jemand hier gewesen war. Oh, die Lampe stand auf dem Boden statt auf dem Tisch, und ein Buch lag auf dem Teppich. Aber beide Indizien konnte sie nicht als schlüssigen Beweis gelten lassen. Es war bekannt, dass die Menschen schlafwandelten, wenn sie lebhaft träumten.
    Sie zwang sich, in den Spiegel zu schauen.
    Hartes silbernes Glas. Nicht mehr.
    Schließlich stand sie auf, ging zu dem Spiegel und legte die kalten Handflächen auf das noch kältere Glas.
    Es war wirklich nichts anderes als ein Spiegel. Keinesfalls konnte jemand oder etwas da drin gefangen gewesen sein.
    Sie straffte die Schultern und drehte dem Artefakt den Rücken zu.
    Mit steifen Bewegungen hob sie den Rucksack auf, nahm die Bücher für den Professor und packte sie in ihre Tasche, dann verließ sie das Büro und schloss die Tür sorgsam ab.
     
    Zum ersten Mal in ihrer akademischen Laufbahn tat Jessi das Undenkbare: Sie schwänzte die Vorlesungen, ging nach Hause, schluckte ein paar Aspirin, streifte ihr Lieblings— Godsmack-T-Sh ir t über, kroch ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
    Sie versteckte sich.
    Sie hatte noch nie aufgegeben. Nie ihre Vorhaben oder Stundenpläne über den Haufen geworfen. Ein winziger Fehler konnte bewirken, dass alles in rasender Geschwindigkeit bergab ging. Demzufolge musste alles wie geplant erledigt werden.
    Im letzten Winter hatte sie sich während eines der schlimmsten Schneestürme, die Chicago je erlebt hatte, zu ihren Vorlesungen geschleppt, von heftigen Schüttelfrösten gebeutelt. Sie war so krank gewesen, dass sie das Gefühl gehabt hätte, in den Millionen kleinen Hautporen würden Nadeln stecken. Sie hatte bei mehreren Gelegenheiten mit Kehlkopfentzündung Vorlesungen gehalten und ihre Stimme nur mit Hilfe von scheußlich bitteren Tees aus Orangenschalen, Olivenöl und verschiedenen unaussprechlichen Zutaten aufrechterhalten. Sie schauderte, wenn sie nur daran dachte. Sie hatte Arbeiten mit hohem Fieber korrigiert und benotet.
    Aber Wahnsinn war nicht etwas, das man mit Hausmittelchen heilen konnte. Man konnte ihn nicht ignorieren und sich dem nächsten Projekt zuwenden.
    Und Jessi hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte.
    Sie bildete sich ein, Schokolade könnte helfen, und sobald sie ihr Apartment betrat, holte sie die Tüte mit Hershey-Pralinen, die sie für Notfälle immer vorrätig hatte. Notfälle, das waren missglückte Friseurbesuche, ernsthafte prämenstruelle Störungen oder einfach nur die Tage, an denen sie alle Männer blöd fand und sich mies fühlte. Unter der warmen Bettdecke machte sie kurzen Prozess mit den köstlichen Schokopralinen.
    Nachdem sie die ganze Tüte leer gefuttert hatte, schlief sie ein.
    Sie schlief durch bis neun Uhr abends.
    Als sie aufwachte, fühlte sie sich viel besser. Wahrscheinlich hatte ihr nichts anderes gefehlt als zehn Stunden Schlaf am Stück, überlegte sie. Vielleicht forderten die durchgemachten Nächte jetzt, da sie älter wurde - immerhin war sie mittlerweile vierundzwanzig! -, ihren Tribut. Sie sollte Vitamine einnehmen. Mehr Milch trinken. Gemüse essen.
    Ich bin nicht verrückt, dachte sie, schüttelte den Kopf und lächelte über diesen absurden Gedanken. Diese beiden intensiven, lebhafte Träume oder Halluzinationen waren nur auf Stress und erheblichen Schlafmangel zurückzuführen. Sie machte lediglich aus einer Mücke einen Elefanten.
    »Ich war einfach nur erschöpft«, sagte sie sich mit einem leichten optimistischen Nicken.
    Schokolade und Schlaf hatten ihre Lebensgeister wieder geweckt. Jetzt war sie gestärkt für einen Neuanfang.
    Sie war bereit, dem Tag oder der Nacht die Stirn zu

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