Im Zauber des Highlanders
haben würde.
Diese Art des In-die-Tiefe-Horchens wandten Druiden an, um die Gedanken und Gefühle anderer zu ergründen, und einst war dies eine von Cians größten Fähigkeiten gewesen. Nein, das stimmte nicht ganz - er hatte alle Druidenkünste bis zur Perfektion beherrscht. Immer schon.
Er war eine Ausnahme: der einzige Keltar, der mit allen Begabungen seiner Vorfahren auf die Welt gekommen war und sie miteinander kombiniert und verfeinert hatte - eine Anomalie der Natur, eine Verwünschung in einem uralten, ehrenhaften und zuverlässigen Geschlecht. Sein Da war ein großartiger Heiler gewesen, sein Grandda konnte das Wetter, die günstigste Zeit für die Aussaat und die Ernte voraussagen, und sein Onkel hatte sich mit der Stimme und in der Wissenschaft der Alchimie einen Namen unter den Druiden gemacht. Cian war mit all diesen Talenten und vielen anderen, die kein Keltar vor ihm gehabt hatte, geboren. Und hauptsächlich aus diesem Grund war er in dem Dunklen Spiegel gefangen.
Du hast zu viel Macht für einen Mann. Nimm dich zurück, Cian, hatte seine Mutter immer wieder gemahnt und ihn besorgt angesehen. Eines Tages gehst du zu weit.
Und genau so war es gekommen. Er selbst hatte danach getrachtet, die Dunklen Heiligtümer an sich zu bringen. Und auch gewusst, dass sie eine Verderben bringende Essenz von schwarzer Magie in sich bargen und dass kein Mensch sie besitzen und unverändert bleiben konnte. Trotzdem hatte er genau wie Lucan nach immer größerer Macht gehungert: Doch während Lucan bereitwillig das Böse verkörperte, war Cians Fehler die Arroganz gewesen; er hatte sich eingebildet, immun gegen jedwede Art der Korruption und unbesiegbar von Mensch oder Magie zu sein.
Was für ein Irrtum!
Doch das war in einer anderen Zeit gewesen - eine lange Geschichte, die man besser vergaß.
Jessica war jetzt.
Er öffnete sich, konzentrierte seine Sinne und tastete sich vorsichtig zu ihr vor.
Nichts. Er strengte sich mehr an. Schweigen. Absolute Stille.
Er fuhr stärkere Geschütze auf und bestürmte mit dem Rammbock die Festungstore von Jessica St. James' Gedanken.
Nicht der kleinste Hinweis auf Emotionen. Kein Hauch eines Gedankens.
Erstaunlich.
Um sich selbst zu testen, feuerte er einen fragenden Pfeil auf den Mann ab, der hinter der Rezeption stand, und zuckte hastig zurück. Der Mann war todunglücklich. Vor kurzem war seine Frau mit einem seiner besten Freunde durchgebrannt. Cian schluckte und versuchte, den faulen Geschmack der Verzweiflung von seiner Zunge zu bekommen. Verzweiflung leistete niemandem gute Dienste. Am liebsten hätte er den Mann geschüttelt und gesagt: Kämpfe, du Narr. Kämpfe um deine Frau. Gib dich nie geschlagen.
»Gib nicht auf, Mann«, zischte Cian.
Der Portier schaute erschrocken auf.
»Du kannst sie nicht einfach gehen lassen«, brummte er. »Sie ist deine Frau.«
Der Portier kniff die Augen zusammen und blinzelte verwirrt. »Wer sind Sie? Kenne ich Sie?«, fragte er verwundert.
»Was ist hier eigentlich los?«, wollte Jessica wissen.
»Nichts. Vergiss es.« Zum Portier gewandt, fügte Cian hinzu: »Entspann dich.« Es war nicht seine Aufgabe, die Welt zu retten. Naja, vielleicht schon, aber er wusste, was er tun musste, und dies hier gehörte nicht dazu.
Mit einem aufgebrachten Schnauben nahm Jessica ein kleines Päckchen von dem niedergeschlagenen Portier entgegen, schwenkte ihr süßes Hinterteil und marschierte zu den zwei großen gold glänzenden Türen in der Wand. Sie spähte über die Schulter zu Cian - ihr Gesichtsausdruck war eindeutig. Jetzt komm schon, du riesengroßer, herrschsüchtiger Rohling. Ich kann dich zwar nicht ausstehen, aber zurzeit sind w ir nun mal aufein an der angewiesen.
Cian bewunderte für einen Moment ihre Schönheit, dann packte er den Spiegel und ging ihr nach.
Zwanzig Tage mit dieser Frau.
Möglicherweise gab es doch eine Gottheit, die an ihn glaubte, auch wenn er selbst seine Zweifel hatte. Jemanden, der überzeugt war, dass er Wiedergutmachung leisten würde, und ihn im Voraus belohnte.
Jessica blieb vor den Türen stehen. Sie gähnte, streckte die Arme über den Kopf, bog den Rücken durch und drehte sich von einer Seite zur anderen, als wollte sie ihr Rückgrat dehnen.
Verdammte Hölle, diese Frau war an all den richtigen Stellen eine richtige Frau.
Wer scherte sich schon darum, warum etwas so war, wie es war?
Für die nächsten zwanzig Tage gehörte sie ihm.
9
Jessi saß an dem Schreibtisch aus Kirschholz in
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