Im Zauber des Highlanders
eine Reihe von Tagen aus dem Weg gehen. Um genau zu sein, die nächsten zwanzig Tage. Das ist nicht mehr lange. Und ich versichere dir, dass ich bis dahin auf dich aufpasse.«
»Zwanzig Tage? Warum nur zwanzig?« Das klang gar nicht so schlimm. Sie hatte nicht gewusst, dass es ein relativ eingeschränktes Zeitlimit für dieses auf den Kopf gestellte Leben gab. Sicherlich konnte sie nach nur zwanzig Tagen wieder ganz normal weitermachen. Jetzt war sie dankbar für ihre Entscheidung, sich nicht krankgemeldet zu haben. Mit einem Mal standen ihre Chancen, zu überleben und zur Normalität zurückzukehren, doch nicht so schlecht. Sie brauchte sich nur noch eine gute Geschichte auszudenken, die ihre Abwesenheit erklären konnte. Und die Ausrede musste nicht mal halb so einfallsreich sein wie die, die ihr die Studenten immer aufzutischen versuchten.
»Weil der Pakt, der mich an den Spiegel bindet, alle hundert Jahre eine Tributzahlung aus reinem Gold vorschreibt, um den Bann der Unseelie aufrechtzuerhalten. Der nächste Tribut ist an Allerheiligen, am einunddreißigsten Tag des Oktober, um Mitternacht fällig.«
Lieber Himmel! Tribut, Pakt, Bann ... Jedes Mal, wenn sie auch nur daran dachte, wieder ein normales Leben zu führen, wurde sie erneut daran erinnert, dass sie bis zum Hals in einer Märchenwelt mit Zaubersprüchen und Flüchen steckte.
Und das Unheimliche war, dass all das schon einigermaßen vernünftig klang. Je länger sie mit dem Mann, der in einem Spiegel lebte, zu tun hatte, umso abgehärteter wurde sie gegen Seltsamkeiten, die ihn umgaben. Seine Existenz an sich war so unerklärlich, dass es sinnlos erschien, sich über andere unerklärliche Dinge den Kopf zu zerbrechen. Auch wenn Jessi nie daran geglaubt hätte - es gab Magie. Sie hatte den Beweis direkt vor Augen.
Sie schüttelte verwundert den Kopf und erhob sich vom Bett - sie hatte nur die Schuhe ausgezogen und in ihren Kleidern geschlafen - und stellte sich vor den Spiegel. Sie studierte den prachtvollen Rahmen mit den seltsamen Symbolen, strich über das kühle Gold und fuhr mit der Hand über das silbrige Glas.
Cian hob im Spiegel ebenfalls die Hand und legte sie an ihre - es sah so aus, als würden sie sich tatsächlich berühren. Doch Jessi spürte lediglich das kalte Glas.
Als sie mit den Fingerspitzen die dunklen Flecken am Rand streifte, zog sie die Hand erschrocken zurück. Eisige Kälte durchdrang ihre Hand, genau wie bei dieser eigenartigen E-Mail, und es war fast, als würde etwas an ihrer Haut ... na ja ... kleben - so als wollte es sie nicht mehr loslassen. Sie nahm sich vor, Cian von diesem Myrddin und seiner unheimlichen Mail zu erzählen. Aber zuerst gab es noch einiges, was sie wissen musste.
»Das ist so, weil es ein Unseelie-Heiligtum ist, Mädchen«, sagte er leise.
»Was?«
»Die Kälte. Dunkle Macht ist kalt. Lichte Macht ist warm. Ein Seelie-Artefakt strahlt Wärme aus. Allein beim Reiben einer Seite vom Unseelie-Buch wird einem Menschen alle Körperwärme genommen. Man sagt, ein Mensch, der mit dem Dunklen Buch umgeht, ist kein Mensch mehr. Tag für Tag wird ihm ein bisschen mehr innere Wärme und Licht geraubt, bis nichts mehr davon übrig ist.«
Jessi nahm diese Information auf, ließ sich aber nicht vom eigentlichen Thema abbringen. Sie musste ein wenig mehr Kontrolle gewinnen, und das ging nur, wenn sie ganz genau begriff, in welcher Lage sie sich derzeit befand. Soweit sie es beurteilen konnte, hatte dieses Dunkle Buch, was immer das auch sein mochte, nichts mit ihren Problemen zu tun.
»Wir müssen also nichts weiter tun, als uns von diesem Lucan fernhalten, bis nach Mitternacht an Allerheiligen, dann ist der Bann gebrochen? Wir müssen uns nur drei Wochen verstecken? Das ist alles?«
»Ja.«
»Und was geschieht, wenn der Bann gebrochen ist und du frei bist?« Konnte er dann den Mann loswerden, der sie tot sehen wollte? Und ihr garantieren, dass sie zu einem angenehmen, normalen Leben zurückkehren würde?
Er sog tief die Luft ein, und in seinen Augen blitzte ein eisiger, boshafter Funke auf. Seine Stimme klang harsch. »Dann brauchst du dir nie wieder um Lucan Trevayne Gedanken zu machen. Keiner muss sich mehr vor ihm fürchten. Das schwöre ich.«
Jessi wich unwillkürlich zurück. Mit diesen Worten verwandelte er sich vom sinnlichen Verführer zu einer wilden Bestie: Er hatte die Zähne gefletscht, als wollte er knurren, die Nasenflügel gebläht und die Augen zu Schlitzen verengt - kurz, er war nicht
Weitere Kostenlose Bücher