Im Zauberbann der Liebe: Roman (German Edition)
genug. Aber wie untersucht man seinen eigenen Geist?«
»Stell dir eine Szene vor«, antwortete sie. »Vielleicht einen Ort, den du kennst und als angenehm empfindest. Eine Wiese, ein Haus, das dir vertraut ist - oder vielleicht versuchst du auch, dir vorzustellen, wie du leben würdest, wenn du ein Fisch im Meer wärst.«
»Ein Fisch?«, fragte er, vorübergehend abgelenkt.
Abby lächelte. »Was du auswählst, ist nur eine Metapher. Beweg dich in deiner Vorstellung durch die Szene, und falls sich irgendetwas falsch anfühlt, dann sieh genauer hin.«
Das klang einfach genug. Aber was sollte er sich vorstellen?
Aus irgendeinem Grund gingen seine Gedanken zu einem Buchenwald auf dem Besitz eines Freundes, den er einige Male in Cotswold besucht hatte. In Yorkshire wuchsen keine Buchen, und er war fasziniert gewesen von dem dichten Blätterdach, das nahezu das ganze Sonnenlicht verdeckte. Des starken Schattens wegen wuchsen dort nur wenige Pflanzen, und der Boden unter den Buchen war mit einem dicken, weichen Teppich aus herabgefallenem Laub bedeckt.
Das Friedliche und Geheimnisvolle dieses Buchenwaldes hatte einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Manchmal hatte er am Vorabend einer Schlacht in Spanien davon geträumt. Jetzt schloss Jack die Augen und stellte sich vor, sich unter den mächtigen alten Bäumen zu befinden. Alles war so, wie er es in Erinnerung hatte, oder jedenfalls zu Anfang. Falls der Buchenwald seinen Geist repräsentierte, fühlte er sich wohl darin. Und er ging ohne Schmerzen, ohne Krücken oder Gehstöcke.
Plötzlich hatte er den Eindruck, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Stirnrunzelnd folgte er dem Gefühl. Die majestätischen Bäume wichen schiefen jungen Setzlingen, die viel zu dicht an dicht gepflanzt waren. Die dünnen Stämme standen so nahe beieinander wie Zaunpfosten - als wären sie so angelegt worden, um etwas zu verbergen.
Jack fragte sich, ob ein Zauber in dieser dunklen Ecke des Buchenwaldes verborgen sein mochte, als er sich zwischen den krummen jungen Bäumen hindurchzwängte, mit purer Kraft sogar, falls nötig. Bei echten Bäumen hätte er das nicht gekonnt, aber in seiner imaginären Welt war alles wie in einem Traum, obwohl er wach war.
Je tiefer er in den übel riechenden, kranken Wald eindrang, desto kälter wurde die Luft, desto schwerer fiel ihm das Atmen, und desto größer wurde seine Furcht. Inzwischen war Jack klar, dass Abby recht hatte. Die Furcht war künstlich, erzeugt von irgendetwas außerhalb seiner selbst. Was nicht bedeutete, dass seine Angst nicht zunahm, aber er weigerte sich, sich davon beeindrucken zu lassen.
Verärgert über sein langsames Vorankommen, holte er mit dem Arm aus und stieß alle Bäume, die ihm den Weg verstellten, zur Seite. Mit knackenden Geräuschen stürzten sie zu Boden und gaben den Blick auf eine zweiflügelige Tür in einer steilen Anhöhe vor ihm frei. Die Tür war rund, als verdeckte sie den Eingang einer Höhle. Und hier war definitiv etwas verkehrt, erkannte er. Mit unerschütterlicher Sicherheit wusste er plötzlich, dass dieses Portal die Quelle der blinden Panik war, die von ihm Besitz ergriff wie eine tödliche Verwundung, und ihn drängte zu fliehen, um seinen Verstand nicht zu verlieren.
Aber Jack biss die Zähne zusammen gegen die Panik und sah sich das auf den Türen eingravierte Muster an. Es war ein schwer zu fassendes, ständig wechselndes System aus Schatten und sich dahinschlängelnden Linien, geheimnisvoll und merkwürdig verführerisch.
Schwindel erfasste ihn, als er erkannte, dass das Muster ihn in sich hineinzog wie ein Strudel. Als er hineinstürzte, erahnte er Grauenvolles, das ihn auf der anderen Seite der Tür erwartete.
Fluchend schüttelte er den Kopf und wandte den Blick ab, weil er wusste, dass er alle Willenskraft und Entschlossenheit verlieren würde, wenn er das Muster weiter ansah.
Abby. Der bloße Gedanke an sie stärkte ihn. Als der Schwindel nachließ, wurde ihm klar, dass dieses magische Muster ihn vollkommen paralysiert hätte, wenn er diese Türen durch Zufall je entdeckt hätte. Oder vielleicht war er ja schon viele Male hier gewesen, und die Erinnerung daran war jedes Mal aus seinem Bewusstsein ausgelöscht worden.
Aber diesmal war er gewarnt gewesen und würde sich nicht im Bannkreis eines Zauberers verirren. Nicht hier, nicht in seiner eigenen Seele.
Mit abgewandtem Blick legte er seine linke Handfläche an die Eisentür. Die kribbelnde Energie war äußerst
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