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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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aufgeregt mit dem Schwanz, und der Junge sagte: »Platz, Eika«, und dann schärfer: »Platz!«
    Sie legte sich ihm wieder zu Füßen mit einem beleidigten Ausdruck in den tief braunen Augen.
    »Na der vom Friedhof«, sagte er dann. »Der da geschimpft hat, als Eika an den Stein pinkelte.«
    In meinem Kopf überschlugen sich die Bilder. Ich hatte ihn
gesehen. Den Mann mit der gekrümmten Nase und der Mütze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Aber ich war so mit Josey beschäftigt gewesen, dass ich nicht einmal darauf geachtet hatte, was er sonst noch trug, ob er groß oder klein war, dick oder dünn.
    »Hat er dir auf dem Friedhof auch schon Geld gegeben?«, fragte David.
    Der Junge überlegte kurz, nickte dann und zog zwei Fünf-Euro-Scheine aus der Hosentasche.
    »Du solltest mit ihr Verstecken spielen?« Ich war überrascht.
    Markus trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Ich muss mal«, sagte er.
    Groß verdrehte die Augen. »Na dann ab mit dir«, sagte er.
    Der Junge stopfte die Scheine zurück in die Hosentasche, nahm die Leine und zog die Hündin hinter sich her. Keiner von uns sagte etwas.
    »Wir warten hier auf seine Mutter«, sagte Groß, als der Junge außer Hörweite war. »Sie arbeitet im städtischen Daneilmuseum als Kuratorin und Restauratorin.« Er sah auf die Uhr. »Kurz vor sieben. Sie müsste gleich hier sein.«
    »Ich habe den Mann gesehen«, sagte ich. »Allerdings nur flüchtig.«
    »Können Sie ihn beschreiben?«
    »Ungenau«, sagte ich und erzählte Groß, was ich wusste. Er schrieb alles in einen kleinen schwarzen Ringblock. Zwischendurch fragte er nach Einzelheiten, doch ich musste passen.
    »Der Junge hat ihn gezeichnet«, sagte er dann.
    »Wie bitte?«
    »Er hat ihn gezeichnet«, wiederholte er. »Er ist begabt, ein richtiges Naturtalent.«
    »Ein Siebenjähriger?«
    »Das ist der Haken«, sagte er.
    Groß griff nach einem Hefter, der auf dem Tisch neben einer Cola-Dose und einer Tasse Kaffee lag.

    Er reichte mir ein Blatt. Meine Knie waren so weich wie geschmolzene Butter.
    Der Junge hatte mit Bleistift den Umriss eines Männerkopfes auf das Blatt gemalt. Er hatte kurz geschnittene Haare, eine zu große Nase in einem kantigen Gesicht und schmale Lippen, über denen ein ungeschnittener Bart hing. Es konnte George Clooney sein oder Harrison Ford in irgendeiner Rolle. Es konnte auch Bill Clinton sein. Es konnten so viele sein. Der Junge hatte zweifellos Talent. Er besaß eine sichere Hand und ein gutes Auge. Aber er war zu klein, er besaß zu wenig Erfahrung, alles war noch zu wenig ausgebildet. Es war die Zeichnung eines siebenjährigen Kindes, wenn auch eines begabten. Ich bezweifelte, dass man etwas mit ihr anfangen konnte.
    Markus kam mit dem Hund auf dem Arm zurück.
    In Groß’ Tasche klingelte das Handy, und er zog es hervor. Sein Finger zeigte auf Markus. »Sie sollen noch warten.« Dann wandte er sich ab.
    »Meine Mutter parkt draußen das Auto«, sagte Markus. »Kann ich dann gehen?«
    »Der Kommissar möchte, dass du mit deiner Mama auf ihn wartest«, sagte ich. Groß wandte sich kurz um und nickte dem Jungen zu, während er weiter ins Handy sprach.
    »Du kannst ja großartig zeichnen«, sagte ich.
    Stolz lächelte er. »Meine Mutter hat es mir beigebracht. Sie malt auch.«
    Eine große, dunkelhaarige und sehr schlanke junge Frau betrat das Foyer und sah sich suchend um.
    »Mama!«, rief Markus und rannte auf sie zu. Sie breitete die Arme aus, beugte sich nieder und fing ihn auf.
    Ich konnte den Anblick kaum ertragen, und abrupt wandte ich mich ab.
    Groß beendete sein Gespräch. Er betrachtete mich einen Augenblick lang nachdenklich. Dann kam er mit weit ausholenden Schritten auf mich zu.

    »Wir haben Fingerabdrücke gefunden«, sagte er. »Unter anderem auf der Innenseite des Ranzens, den wir im Turm gefunden und sichergestellt haben. Mankiewisc hat sie mit denen Ihrer Mutter vergleichen lassen.«
    »Und?«, fragte ich ahnungslos.
    »Sie sind identisch«, sagte Groß. »Und das wiederum ist eigenartig. Nirgendwo gibt es Abdrücke, aber Ihre Mutter hinterlässt welche in diesem Turm.«
    Die Information rauschte durch mich hindurch, ohne dass ich die Bedeutung erfasste. Ich hörte, wie David neben mir zischend den Atem einzog. Ich hörte Hazel »Meine Fresse«, sagen, und endlich begriff auch ich.
    Ich presste die Hand auf den Mund, nicht so sehr, weil es mich wirklich überraschte. Ich hatte längst damit gerechnet. Doch es war die Ungeheuerlichkeit der Tatsache, die

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