Im Zeichen der Angst Roman
und alles tun, was möglich ist. Doch dazu müssen wir einander vertrauen. Okay?«
Ich nickte.
»Gib mir deine Hand«, sagte er und lächelte. »Wir sind von jetzt an ein Team.«
Ich gab sie ihm nicht. »Und dein Vater und diese ganze Überwachungsgeschichte? Welche Rolle spielt das?«
»Ich weiß es nicht«, sagte David und zog die Hand zurück, »aber ich werde es herausbekommen.«
Ich starrte geradeaus und schwieg.
»Was ist mit diesem Thomas Hart?«, fragte ich schließlich. »Weshalb arbeitet der für euch, und weshalb überhaupt kanntest du John Hart, seine Stiefschwester aber nicht?«
»Claudia kannte Thomas noch vom Studium. Sie hatten ein paar Vorlesungen zusammen. Sie hat ihm vertraut. Er musste das Studium dann jedoch aus irgendwelchen familiären Gründen abbrechen und machte eine Ausbildung zum Butler. Er ist der Butler meines Vaters. John ist sein älterer Bruder. Es ist nichts Geheimnisvolles daran. Das einzige Geheimnis ist Christine Metternich. Von der sprachen weder John noch Thomas jemals. Gerade so, als gäbe es sie nicht. Aber so, wie sie sich aufgeführt hat, sollte einen das auch nicht wundern. Könnten wir das Thema damit beenden?«, fragte er.
Ich nickte, obwohl mir noch Dutzende Fragen zu Christine und den beiden Brüdern auf der Zunge lagen.
»Sind wir ein Team?«, fragte er.
»Okay«, sagte ich.
Er lächelte. Ich nicht.
27
Das Foyer war überheizt, die Luft legte sich schwer auf die Lunge. Mein Blick durchstreifte den Raum auf der Suche nach Groß oder Mankiewisc. Bis auf zwei Männer, die an der Hotelbar saßen, schien es keine Gäste zu geben. Hinter dem Tresen stand der Barkeeper mit aufgerollten Hemdsärmeln und schüttelte einen Shaker.
»Da«, sagte Hazel und zeigte auf eine entlegene Ecke, aus der uns ein Arm zuwinkte.
Groß saß in einem Loungesessel an einem niedrigen Tisch, auf dem eine Cola, ein zur Hälfte gefülltes Glas und eine leere Cappuccinotasse standen. Neben Groß saß der Junge vom Friedhof in einem Sessel. Zu seinen Füßen schlief angeleint der West-Highland-Terrier, den Kopf auf die übereinander gelegten Vorderpfoten gebettet. Als wir uns näherten, öffnete er ein Auge, sah uns an, ohne sich zu rühren, und schloss es wieder.
»Wo ist Mankiewisc?«, fragte David.
»Zurück nach Hamburg«, sagte Groß und wandte sich dann mir zu: »Geht’s Ihnen wieder besser?«
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
»Sie hat sich selbst entlassen«, sagte David, als ich schwieg. »Die Entführer haben sie wieder angerufen.«
»Meine Tochter sagte Mama und weinte«, sagte ich leise, »mehr nicht.«
»Sie machen keinen Schritt mehr ohne uns«, sagte Groß. »Ist das klar?«
Ich nickte. Mein Blick ruhte auf einem schwarzen Wollmantel, der über der Lehne des Sessels hing. Die hellgrüne Jacke des Jungen hatte jemand achtlos darauf geworfen.
»Du hast mit meiner Tochter auf dem Friedhof Verstecken gespielt.« Ich schaute zu dem Jungen hinunter, dessen Hände so unbeweglich auf den Armlehnen ruhten, als seien sie festgewachsen.
Ich registrierte seine graublauen Augen und die Stupsnase mit feinen Sommersprossen, die auch Josey hatte. Seine Augen schauten traurig zu mir hoch. Bei ihrem Anblick drohten Angst und Schmerz mich erneut zu lähmen, und ich konzentrierte mich auf meinen Atem.
»Markus«, sagte der Junge leise, stand auf und reichte mir die rechte Hand, während er zu seinem Hund blickte. »Das ist Eika.« Er zog die Hündin an der Leine, so dass sie sich aufrichtete.
Er schluchzte auf, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
Ich kniete mich vor ihn. »Ich kannte mal ein kleines Mädchen«, sagte ich und reichte ihm ein Taschentuch. »Es dachte, es sei schuld, dass seine beste Freundin verschwunden war. Aber es war nicht schuld. Und weißt du warum?«
Der Junge schüttelte den Kopf, wischte sich die Augen und stopfte mein Taschentuch in die Taschen seiner ausgewaschenen hellblauen Jeans.
»Kinder sind niemals schuld, wenn Erwachsene etwas Böses tun. Niemals, hörst du?«
Er nickte ernst, dann flog ein Strahlen über sein Gesicht, und ich strich ihm über den Kopf. Er bückte sich und nahm die Hündin auf den Arm. Die Hündin leckte ihm freudig über die Knubbelnase.
Groß beobachtete mich aufmerksam.
»Ein Mann«, sagte er, »hat dem Jungen fünf Euro gegeben, wenn er mit Josephine raus auf den Parkplatz kommt.«
»Was für ein Mann?«, fragte ich den Jungen. Die Hündin wand sich in seinen Armen und sprang herunter. Sie wedelte
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