Im Zeichen der Angst Roman
Bedingungen diktieren können. Das können sie allein dadurch, dass sie Josey haben. Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Weißt du, was mir durch den Kopf geht?«
David setzte sich zu mir und sah mich fragend an.
»Jemand führt da einen ganz persönlichen Rachefeldzug. Geld ist das eine, und es war vielleicht der Grund für Johannas
Entführung. Doch diesmal geht es um mehr als Geld. Sie freuen sich an meiner Hilflosigkeit, an meiner ohnmächtigen Wut und meinem Zorn. Ich kann das fühlen. Es geht ihnen runter wie Öl, dass ich mich nicht wehren kann.«
»Gefühle sollte man aber in solchen Situationen außer Acht lassen.«
»Ich kann es fühlen«, wiederholte ich. »Weshalb sagte er nicht, wo wir uns treffen? Wann es passiert? Weshalb nicht? Es ist so, wie ich sage. Jemand rächt sich an mir. Nur an mir. Erinnere dich an den ersten Brief, den sie mir geschickt haben.«
»Den mit den vier Fotos?«
»Ja. Johanna, Kai, meine Mutter und Josey. Das ist meine Familie.«
»Du meinst, es geht nicht nur um die zwei Millionen Dollar?« Ich hörte Davids Stimme die Zweifel an. Ich würde an seiner Stelle auch zweifeln und mich fragen, wie verrückt oder durchgeknallt ich vor Angst um meine Tochter inzwischen war.
»Es gibt noch ein anderes Motiv. Vermutlich ein persönliches. Das macht es so irrational, denn wenn alle Stricke reißen, werden sie auf das Geld verzichten, und ich werde Josey nicht zurückbekommen.« Seitdem David mit mir in Solthaven darüber gesprochen hatte, dass diese Menschen vielleicht gar nicht vorhatten, mir meine Tochter zurückzugeben, ging mir diese Option durch den Kopf. Doch als ich es nun aussprach, erschrak ich. Es machte einen Unterschied, etwas nur zu denken oder es auszusprechen, gerade so, als würden die Sätze allein dadurch, dass ich sie aussprach und damit in die Welt entließ, eine stärkere Bedrohung erlangen.
»Verrenn dich nicht«, sagte David und sah mich von der Seite an. »Bitte.«
Abwehrend hob ich die Hände. »Der Tod meiner Mutter war vermutlich der Auftakt zu Joseys Entführung. Es gibt irgendeinen Zusammenhang. Ich kenne ihn nur nicht.«
»Nicht nur das«, sagte David. »Die zwei Millionen Dollar stellen
deine Mutter zwingend in einen Zusammenhang mit den Ereignissen von 1996. Da haben Groß und Mankiewisc recht. Ebenso wie die Abdrücke im Turm, die sie von deiner Mutter gefunden haben. Doch umgebracht wird sie erst 13 Jahre nach Johannas und Bruchsahls Tod …« David schüttelte den Kopf. »Wie das zusammenpasst? Keine Ahnung. Der Zeitsprung ist zu groß.«
»Was wissen wir?«, fragte ich.
»Du bekamst zwei Drohbriefe, deine Wohnung wurde verwüstet …« Er dachte nach.
»Ich werde beschattet«, wiederholte ich. »Von Leuten deines Vaters. Doch mir folgt noch jemand.«
»Nämlich?«
»Erinnere dich an den ersten Brief. Was ergaben die polizeilichen Ermittlungen?«
David zuckte mit den Achseln.
»Ich hab es dir erzählt«, sagte ich. »Eine Frau gab einem Junkie am Bahnhof den Umschlag mit den vier Fotos. Sie fuhr aller Wahrscheinlichkeit nach einen dunklen Range Rover wie ich. Eine Frau beobachtete außerdem meine Wohnung. Ebenfalls in einem dunklen, meines Erachtens in einem schwarzen Range Rover. Nur dass Claus mir einreden wollte, dass ich irre sei und nicht in jedem parkenden Auto gleich Verbrecher vermuten soll, nur weil mich jemand aus einem Auto heraus anschaut. Aber ich weiß, was ich gesehen habe.«
»Und?«, fragte David.
Ich zuckte die Achseln.
»Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir unbedingt herausfinden, woher deine Mutter die zwei Millionen hatte, die sie auf ein Schweizer Konto …«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ich ihn. »Es wird eine Erklärung geben. Vielleicht doch irgendeine harmlose. Vielleicht irre ich mich.«
»Bei solchen Summen gibt es keine harmlose Erklärung«,
widersprach David. »Red dir das gar nicht erst ein. Die Koinzidenz ist zu groß, als dass man von einem Zufall ausgehen dürfte.«
»Meine Mutter hat mit der Entführung aber nichts zu tun.«
»Wenn das so ist, stellt sich zwingend die Frage, wie sie an das Geld und an Johannas Sachen gekommen ist und warum sie ausgerechnet jetzt ermordet wurde.«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich übersah etwas. Irgendetwas. Mir fehlten immer noch zu viele Teilchen in dem Puzzle. Wer, was, wann, wie und warum. Die fünf großen Ws des Journalistenlebens.
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Eine alte Glashütter Sportuhr aus den fünfziger Jahren mit einem
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