Im Zeichen der Angst Roman
Freitag ausgesucht, um spätabends angetrunken und viel zu spät aus seiner Kanzlei nach Hause zu kommen. Wir hatten vorgehabt, in »Star Wars Episode 2 - Attack of the Clones« zu gehen, auf den er ganz wild war, wie er auf alle »StarWars«-Filme versessen war - wie ein zu groß geratener Junge, den man während seiner Jugend eingesperrt hatte. Also hatte ich uns beiden nur einen Salat gemacht, eine Crème Brûlée als Nachtisch aufgetaut und Josey früh zu Bett gebracht in der Hoffnung, sie würde schnell einschlafen. Dann würden wir beide ins Kino gehen und anschließend noch eine Suppe bei meinem Lieblings-Thailänder unten am Hafen essen.
Kurz vor halb acht hatte das Telefon geklingelt. Ich hatte damit gerechnet, dass Kai mich anrufen würde, um mir zu sagen, dass er gleich zu Hause wäre. Doch stattdessen hatte ich Claus am Apparat, der mir erzählte, der Aufmacher für den Montagmorgen wäre geplatzt, ich müsste am Samstagvormittag dringend in die Redaktion fahren und einen Artikel über irgendeine OPEC-Konferenz schreiben, von der ich an dem Abend kaum mehr als eine Ahnung hatte. Ich weigerte mich und beharrte darauf, dass ich eine Familie besaß und es noch mindestens drei andere Redakteure gab, die diesen Artikel schreiben konnten. Er lehnte ab, und wir gerieten zum ersten Mal, seitdem er mein Chef war, in einen ernstzunehmenden Streit, denn es war innerhalb von vier Wochen das zweite Mal, dass ausgerechnet ich mein Wochenende opfern sollte. Das gefiel mir nicht. Es hinterließ ein schlechtes Gefühl, als sei ich fremdbestimmt und hätte
ohne Wenn und Aber nach der Pfeife eines anderen zu tanzen. Dagegen war ich allergisch und reagierte mit blinder Opposition und schließlich mit wütender Verweigerung. Er schrie mich an, ich wäre ihm verpflichtet, denn ohne ihn säße ich, der Ex-Häftling, schlicht auf der Straße. Das war es. Ich knallte den Hörer auf und kochte in dem Wissen, dass er gerade seine Position ausnutzte und ich mich nicht wehren konnte.
Danach hatte ich keine Lust mehr, mir irgendeinen Jungsfilm anzusehen, nur weil mein Mann ihn so liebte. Ich hatte auch keine Lust mehr auf die Crème Brûlée. Aber ich hatte eine unendliche Sehnsucht nach meinem Mann und danach, dass er mich in die Arme nahm und tröstete.
In den Wochen und Monaten zuvor hatten wir uns zunächst häufig gestritten. Doch nach einer Weile war uns die Luft ausgegangen, und es hatte sich ein Schweigen zwischen uns gelegt, das nur unterbrochen wurde, wenn wir so alltägliche Dinge besprachen wie den Einkauf von Toilettenpapier, frischem Brot und Gemüse oder wer Josey am nächsten Tag vom Kindergarten abholte.
Ich hatte darauf vertraut, dass uns ein paar gemeinsame Abende wieder zusammenschweißen würden, vielleicht war das ohnehin naiv gewesen. Doch ich sehnte mich so sehr danach, dass er mich wie früher lieben, trösten und verstehen würde - und ich ihn. Ich hatte gehofft, unsere Ehe wieder zu dem zu machen, was sie einmal gewesen war, damit ich nicht irgendwann vor lauter Trauer und Enttäuschung explodierte.
Ausgerechnet diesen Abend hatte er sich ausgesucht, um zu spät zu kommen. Während ich wartete und die Zeiger auf der Armbanduhr meines Vaters stillzustehen schienen, versuchte ich mir einzureden, dass Kai unmöglich wissen konnte, dass ich gerade den größten Krach meines Lebens mit meinem besten Freund gehabt hatte. Doch als es acht, neun und schließlich zehn Uhr wurde und ich die Crème Brûlée kurz nach zehn unangetastet in den Mülleimer warf und seine Schritte immer
noch nicht vom Hausflur in unsere Wohnung drangen, war ich nicht nur wütend, sondern richtig zornig. Ich bebte geradezu vor Zorn.
Ich saß vor dem Fernseher, ein Glas Rotwein auf dem Tisch, und ich schaute irgendeine Talkshow im dritten Programm, deren Gäste ich sah, ohne sie wahrzunehmen, deren Sätzen ich folgte, ohne sie zu verstehen. Ich wurde immer zorniger, immer bitterer und formulierte in meinen Gedanken wieder und wieder die Sätze, die ich ihm entgegenschleudern würde, sollte er die Wohnung betreten. Und ich wusste Sätze, die nur Liebende formulieren können. Sätze, die mehr verletzen als jeder Schlag.
Gegen halb elf ging ich in die Küche und schüttete den Wein in die Spüle, weil er warm und schal schmeckte. Da endlich hörte ich ihn die Treppe herauf kommen, hörte, wie er den Schlüssel im Schloss drehte und schließlich im Korridor nach mir rief.
Den Schlipsknoten gelockert, den obersten Hemdknopf offen und eine
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