Im Zeichen der Angst Roman
ließ die blaue Nylontasche mit den zwei Millionen Dollar im Kofferraum des Rovers, denn es schien mir sicherer, sie nicht bei mir im Haus zu haben. Ich nahm meinen Trolley und zog ihn über das Pflaster des Gehwegs zur Eingangstür. Die Tür war mit gelben Klebebändern gesichert, wie sie die Polizei zum Absperren von Unfall - und Tatorten benutzte. Das Schlüsselloch war zugeklebt und versiegelt. Mankiewisc würde toben, wüsste er, dass ich gerade dabei war, ohne seine Erlaubnis in das Haus meiner Mutter einzudringen. Doch ich hatte nicht vor, Rücksicht darauf zu nehmen, dass die Polizei das Haus noch nicht freigegeben hatte. Ich riss das Siegel und die Klebebänder ab und warf sie achtlos auf den Boden.
Noch während ich in meiner Handtasche nach dem Haustürschlüssel suchte, stand wie aus dem Nichts ein weißer Schäferhund neben mir und knurrte.
Im Allgemeinen habe ich nichts gegen Hunde. Doch seitdem mein Vater in meinem Beisein von einem Schäferhund
angefallen worden war, reagierte ich auf diese Rasse mit Panikattacken. Der Hund hatte meinem Vater die Hose zerfetzt und ihn so verletzt, dass die Wunde am Oberschenkel mit zwölf Stichen genäht werden musste. Er vermutete, dass der Hund von den Bienen gestochen worden war und ihn der Schmerz durchdrehen ließ.
Seine rationale Erklärung nutzte mir nichts. Ich war damals zwölf Jahre alt und wurde noch Wochen später nachts von meinen eigenen Schreien geweckt, weil ich träumte, ein Schäferhund zerfleischte mich.
Normalerweise hätte ich mir beim Anblick des Schäferhundes in dieser Abgeschiedenheit sagen müssen, dass der Besitzer nicht weit sein konnte, doch ich war unfähig zu jedem klaren Gedanken. Stattdessen setzte sich die Angst in meinen Knien fest, und eine Ladung Adrenalin rauschte durch meinen Körper. Ich presste die Tasche an mich und merkte nicht einmal, wie meine Beine zitterten.
Von Panik geschüttelt, machte ich einen Schritt von ihm weg, dann noch einen. Mein Atem wurde flach und schnell, und ich presste meine Handtasche an mich, während mir kalter Schweiß aus jeder Pore kroch und der Hund knurrend die Zähne fletschte und mir folgte
Ich bemerkte die Frau erst, als sie direkt neben mir stand, den Hund am Halsband ergriff und zur Seite zog.
»Bleib stehen«, sagte sie zu mir und »Platz« zu dem Hund. Der Hund setzte sich, dachte jedoch nicht daran, das Knurren einzustellen, während ich mich bemühte, mich auf meinen Atem zu konzentrieren.
Ich brauchte einen Moment, um in meiner Panik zu erkennen, dass die Frau meine Halbschwester Madeleine war. Sie trug eine ausgewaschene Jeans, alte grüne Gummistiefel, an deren Sohlen braunes Laub klebte, und einen blauen Daunenparka. Sie sah darin weitaus zierlicher und zerbrechlicher aus, als ich sie von der Beerdigung meiner Mutter in Erinnerung
hatte. Sie sah exakt so aus, als könnte sie den Hund niemals unter Kontrolle halten, sollte er jemals beschließen, nicht auf sie zu hören.
»Aus, Erwin«, sagte sie, und der Hund stellte das Knurren ein. »Wenn ein Hund knurrt und dir die Zähne zeigt, musst du ruhig stehen bleiben«, sagte sie. »Sonst wird er nervös.«
Ich nickte, unfähig, ein Wort von mir zu geben.
»Ich bringe ihn jetzt nach Hause«, sagte sie. »Ich hab nur meine Runde mit ihm gemacht, und auf dem Rückweg sehe ich dann hier immer kurz nach dem Rechten.«
Ich nickte wieder.
»Wirst du hierbleiben?«
»Ja.« In meiner Stimme vibrierte noch kratzig und rau der Schreck.
»Gut. Sagjedem hier im Dorf, du heißt Silberstein, und wenn du etwas brauchst, ruf mich an. Meine Nummer hast du ja«, sagte sie und schnippte mit den Fingern. Der Hund stand auf und trottete hinter ihr her.
Wie ich später hörte, wäre ich Madeleine an diesem Morgen normalerweise nicht begegnet. Sie lebte zurückgezogen und vermied jeden unnötigen Kontakt mit den Dorfbewohnern, seitdem ihre Tochter an Multipler Sklerose erkrankt war, so dass es nur wenige gab, die ihr Haus jemals betreten hatten. Sie führte den Hund das erste Mal morgens um sieben Uhr gleich nach dem Aufstehen aus, tagsüber verrichtete er sein Geschäft in dem weitläufigen Gartengrundstück, und erst am späten Abend, wenn sie sicher war, niemandem mehr zu begegnen, ging sie ein zweites Mal mit dem Hund spazieren. Doch an diesem Tag hatte Rebecca, Madeleines Tochter, einen epileptischen Anfall gehabt, und so musste sie warten, bis der Notarzt gekommen und ihre Tochter danach eingeschlafen war.
Ich kam in den nächsten Tagen
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