Im Zeichen der Angst Roman
Mankiewisc vor meiner Wohnungstür stand, war sein Gesicht nicht mehr rosa, es war tiefrot. Er hatte den Mund leicht geöffnet und keuchte. Es war das typische Keuchen übergewichtiger Menschen mit zu hohem Blutdruck und zu wenig Bewegung. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Groß kam hinter Mankiewisc. Er sah um einiges gesünder aus.
Groß drängte mich zur Seite. Nacheinander betraten sie die Wohnung und blieben im Korridor stehen.
Groß schaute erstaunt auf die Regale, dann wanderte sein Blick durch die geöffneten Türen in die Räume dahinter, als zählte er sie und schätzte die Wohnungsgröße. Die Türen führten zur Küche, zum Bad, zur Toilette, in mein Wohnzimmer, in das Schlafzimmer und in Joseys Kinderzimmer, die einzige Tür, die geschlossen war. Mein Arbeitszimmer lag hinter dem Wohnzimmer, getrennt durch eine große Schiebetür.
Ich bat sie weder in mein Wohnzimmer noch in die Küche.
»Geben Sie uns die Fotos«, sagte Mankiewisc barsch.
Ich nahm den Umschlag mit meinem Namen und den Originalen von der Kommode.
»Vorsichtig«, sagte Mankiewisc und streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über, die er aus der Manteltasche zog. Aus der anderen zog er eine durchsichtige Plastiktüte.
Der Umschlag hing in der Luft an meinem Arm, als gehörte er nicht zu mir.
»Wir könnten Sie mitnehmen«, sagte Mankiewisc emotionslos, während er mir den Umschlag abnahm, die Fotos herausnahm und betrachtete.
»Weshalb?«, fragte ich.
»Behinderung bei der Aufklärung eines Tötungsdeliktes.«
»Kommen Sie mir nicht so«, sagte ich.
»Finden Sie es nicht eigenartig, dass die Fotos per Kurier in Ihrer Redaktion ankommen, während Sie gerade mit uns zusammen sind?«
»Finden Sie es nicht eigenartig, dass Sie mich unbedingt zu einer Verdächtigen machen wollen?«
»Das tun wir nicht«, sagte Groß.
»Hören Sie auf«, sagte ich.
»Wir haben unten einen Streifenwagen postiert. Er wird heute
Nacht hierbleiben«, erwiderte Groß, den Stil seines Kollegen kopierend, der das Thema wechselte, wenn es ihm gerade gefiel.
»Sie haben mich doch nicht etwa in Ihr Herz geschlossen?«, fragte ich.
»Wir schützen Ihre Tochter.«
Ich beschloss, meinen Mund zu halten.
»Wir haben die Akten über Ihre Mutter angefordert. Weshalb haben Sie nicht gesagt, dass man dachte, sie wäre ermordet worden?«, mischte sich Mankiewisc ein.
»Wozu soll das gut sein?«, erwiderte ich. »Sie lebte. Mein Vater wusste es und ich auch. Und ihre Leiche beweist es ja nun.«
»Aber man verdächtigte Ihren Vater, sie getötet zu haben.«
»Na und?«, fragte ich. »Sie verdächtigen doch jeden. Und Sie schicken auch jeden in den Knast, wenn Sie nicht weiterwissen. Klappe zu, Affe tot.«
»Holla«, sagte Mankiewisc. »Höre ich da eine gewisse Verbitterung, Frau Reporterin?«
»Machen Sie sich nicht lustig«, sagte ich. »Sie reden hier über Dinge, von denen Sie nichts verstehen und …«
»Man scheint zumindest angenommen zu haben, dass er dazu fähig ist«, unterbrach mich Mankiewisc.
Sie rollten alles wieder auf. Das Verschwinden meiner Mutter, die Vergangenheit meiner Mutter. Und dafür beschmutzten sie gerade den Namen meines Vaters.
Ich trat einen Schritt auf Mankiewisc zu. Ich war mindestens einen Kopf kleiner als dieser Hüne mit dem breiten Brustkorb und den buschigen Brauen.
»Reden Sie nie wieder so von meinem Vater«, sagte ich dennoch in einem aggressiven Ton, der mir das letzte Mal im Gefängnis über die Lippen gekommen war. »Es könnte sein, dass ich Sie eines Tages dafür zur Rechenschaft ziehe.«
»Wollen Sie mir drohen?«, fragte Mankiewisc und grinste.
»Ja«, sagte ich laut und deutlich und sah Mankiewisc herausfordernd in die Augen.
Wenn du dich auf gefährlichem Terrain befindest, mach es so kurz wie möglich und sei so bestimmt und selbstbewusst wie möglich. Einer von John Harts Ratschlägen.
»Ich kann Sie drankriegen«, sagte Mankiewisc. »Und wenn Sie etwas, aber auch nur irgendetwas mit dem Fall zu tun haben, kriege ich Sie auch dran.«
»Ich habe noch immer Kontakte, die Ihnen nicht gefallen dürften. Lassen Sie den Namen meines Vaters da raus. Nehmen Sie ihn nicht einmal mehr in den Mund.«
Wir standen uns gegenüber wie zwei Boxer, die nur auf den Anpfiff zur nächsten Runde warteten. Einer von uns hatte die falsche Gewichtsklasse erwischt. Nicht zurückweichen, keinen Zentimeter nachgeben, niemals Schwäche zeigen, hämmerte es in meinem Gehirn. Mein Gesicht war eine eisige Maske.
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