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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Kein Muskel regte sich.
    »Hey«, sagte Groß und klopfte Mankiewisc auf den Arm.
    Mankiewisc trat einen Schritt zurück.
    »Und Sie«, wandte ich mich an den Kleinen. »Tun Sie nicht immer so, als wollten Sie etwas schlichten. Sie sind keinen Deut besser als Ihr großer Chef.«
    Ich drehte mich um, ging in die Küche und ließ mich auf einen honigfarbenen Lloyd-Loom-Sessel am Küchentisch fallen. Meine Universen begannen gerade sich zu vermengen. Was zum Vorschein kam, gefiel mir nicht. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht so sein. Man verbringt nicht Jahre in einem Gefängnis, ohne sich Überlebensstrategien aufzubauen. Eine war, immer schneller zu sein als der Gegner. Und eine andere: Zeig niemals Schwäche. Das lehrte mich John Hart, und weil ich eine gelehrige Schülerin war, geriet ich schon sehr bald nach meiner Überstellung in das Moorfleter Frauengefängnis nicht mehr in handgreifliche Situationen. Aber ich habe sie erlebt. Würde John noch leben, hätte ich ihn längst angerufen. Aber er hat sich umgebracht, und so kann ich nur noch seine Ratschläge befolgen, auch wenn sie ihm selbst nichts genutzt
hatten. Er wurde 61 Jahre alt und hatte Prostatakrebs im Endstadium.
    Ich wollte meine Ruhe. Ich hatte genug erlebt für mehrere Leben. Ich beruhigte mich.
    »Ich weiß bis heute nicht, weshalb sie aus der DDR geflohen ist«, sagte ich einlenkend, als Groß in die Küche kam.
    »Es gab einen Grund, und wir werden ihn herausbekommen«, sagte er.
    »Und wenn das eine nichts mit dem anderen zu tun hat? Wenn es rein private Gründe waren? Ich persönlich glaube nicht, dass sie unbedingt aus der DDR wegwollte. Ich glaube, sie wollte so weit wie möglich weg von uns, von ihrer Familie.«
    »Bei einem Tötungsdelikt geht man immer an den Punkt null zurück«, sagte Mankiewisc, der hinter Groß hereingekommen war. »Machen Sie doch in Ihren Reportagen auch so.«
    »Sie lesen meine Artikel?« Ich war überrascht.
    »Ich lese das ›Hamburger Blatt‹. Da komme ich wohl um Ihre nicht herum.«
    »Hören Sie«, sagte Groß. »Wir machen hier nur unseren Job, wie Sie Ihren auch machen. Wir wollen ihn gut machen.«
    »Ach du meine Güte«, sagte ich. »Bekommen Sie denn auch Kopfnoten für gutes Betragen und Fleiß?«
    Mankiewisc setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Ich sah ihn an.
    »Ich weiß, dass Sie in den ersten Vernehmungen beteuert haben, Christian Bruchsahl nicht erschossen zu haben. Ich weiß auch, dass Sie behaupteten, dass Bruchsahl nicht der Entführer Ihrer Tochter war. Und ich weiß, dass Sie behaupten, Sie hätten sechs Jahre unschuldig gesessen.«
    »Halten Sie den Mund«, fuhr ich ihn an. »Mein Anwalt hat einen Deal gemacht, und ich habe mich schuldig bekannt. Also hören Sie auf damit.«
    »Erinnern Sie sich an Max Renner?«, fragte Groß.
    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« Max Renner war
in dem Entführungsfall meiner Tochter Johanna der Leitende Hauptkommissar gewesen. Er war zwei Jahre nach meiner Haftentlassung in den Vorruhestand gegangen. So hieß das wohl.
    »Renner war mein Mentor«, sagte Groß.
    »Dann haben Sie sich wohl von dem Ihr Mitgefühl abgeguckt.« Einen gewissen Zynismus konnte ich nicht unterdrücken.
    Groß sah mich an. »Renner hält Sie für unschuldig«, sagte er.
    In mir explodierte eine Bombe, die da 13 Jahre lang gelegen hatte und nie entschärft worden war. Ich sprang auf und schnappte den Mann am Revers seiner Jacke. Meine Reflexe waren noch immer hervorragend. Seine nicht. Er hatte zu viel Zeit am Schreibtisch verbracht.
    »Renner«, zischte ich. »Renner hat mich in den Knast geschickt, Sie Idiot. In einen, der bis heute als einer der schlimmsten gilt, wenn Sie über Ihr Gefängnissystem auch nur einigermaßen informiert sind. Ist Ihnen das klar? Ich habe mit Mörderinnen gesessen, mit Frauen, die ihre Kinder umgebracht haben, ihre Väter, ihre Mütter. Ich hab mit Frauen gesessen, die alte, hilflose Menschen getötet haben. Ich habe meine Zeit mit blutjungen Prostituierten verbracht, die ihre Freier erstochen haben. Und erzählen Sie mir nicht, diese armen Frauen seien weniger gewaltbereit als Männer. Sie wissen, dass das nicht stimmt.«
    »Mami«, sagte Josey.
    Keiner von uns hatte sie kommen gehört. Ich ließ Groß’ Jacke los.
    »War nur Spaß, Herzchen«, sagte ich.
    Groß nickte und lächelte. Mankiewisc lächelte nicht, bewegte aber immerhin die Mundwinkel. Manche Menschen haben keine Übung in Freundlichkeit.
    Josey hatte Tränen in den Augen.
    »Das

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