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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Erstes auf eine handgeschriebene Notiz: Jemand, wohl Renner, hatte mit einem Kugelschreiber das Empfangsdatum notiert. Drei Tage nach Kais Tod.
    Ich las den Text und dachte einmal mehr, mein Herz setzte aus. Doch mein Herz dachte nicht daran.
    Madeleine Lehmholz und Dr. Jörn Bruchsahl hatten ein Verhältnis. Bruchsahl hat nichts mit der Entführung zu tun. Clara Steinfeld sagte die Wahrheit. Sie hat nichts mit dem Mord zu tun. Suchen Sie in Bruchsahls Umfeld nach einer Inschrift in einem Keller.
    »Woher haben Sie das?«, fragte ich benommen.
    »Es lag drei Tage nach dem Tod Ihres Mannes in meinem Briefkasten.«
    »Kam Ihnen das nicht verdächtig vor?«
    »Ich habe Madeleine Lehmholz vernommen«, sagte er. »Nach der Entführung und nach diesem Brief ein zweites Mal. Sie hat es geleugnet. Alle, die wir kannten und aus Bruchsahls Umgebung zum Teil sogar erneut befragten, wussten nichts von einem Verhältnis. So etwas kann man aber in einem Dorf nicht unter dem Deckel halten. Irgendwann kriegt immer irgendjemand etwas mit. Leute, die anderen anonym etwas anhängen wollen … nun ja, die gibt es zuhauf.«
    »Weshalb zeigen Sie es mir dann?«
    »Vielleicht ist ja doch etwas dran. Vielleicht haben sie uns
alle ausgetrickst.« Er schaute mich dabei nicht an, sondern sah aus dem Fenster.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie pflegt sein Grab«, sagte er.
    Es kam tief aus meinem Bauch, kroch krampfartig die Luftröhre hinauf und stürmte meinen Mund. Ich begann zu lachen.
    »Vermutungen«, keuchte ich. »Alles nur Vermutungen.«
    »Sie sind wirklich hysterisch«, stellte Renner fest.
    »Weshalb sollte sie das Verhältnis nie zugegeben haben?«
    »Sie ist eine geschiedene Putzfrau, er war Arzt. Er hätte sie nie geheiratet. Doch die Schande …«
    »Das ist doch archaisch. Schande? Wen interessiert das heute noch?«
    »Unterschätzen Sie es nicht. In Dörfern ticken die Uhren auch heute noch anders. Madeleine Lehmholz hatte es nie leicht in diesem Dorf und war dort immer eine Art Außenseiterin. Ihre Eltern hatten sie adoptiert und betrieben in Westerau eine Kneipe, in der Madeleine zunächst mitarbeitete und die später gepfändet wurde. Später starb der Vater an Leberzirrhose, ein halbes Jahr danach die Mutter an einem Gehirnschlag. Madeleine bekam mit neunzehn ein uneheliches Kind, heiratete mit 25 einen Tunichtgut, der sie just in dem Moment verließ, als sich herausstellte, dass bei der Tochter Multiple Sklerose diagnostiziert wurde.«
    »Wer ist der Vater des Kindes?«, fragte ich aus reiner Neugierde.
    »Der Name ist nicht bekannt, und sie hat stets eine Aussage darüber verweigert.«
    »Dann kann man in einem Dorf also doch etwas verheimlichen.«
    »Nicht wirklich«, erwiderte er. »Es gab damals Gerüchte, dass es Tassilo von Weiden war. Mehr nicht. Er leugnete, sie leugnete, seine Mutter Lydia von Weiden leugnete.«
    »Was glauben Sie?«

    »Wo Rauch ist, ist auch Feuer. So ist es meistens. Nur für die Entführung Ihrer Tochter war das ohnehin belanglos. Doch weshalb interessiert Sie das alles?«
    »Madeleine Lehmholz ist meine Halbschwester«, stieß ich hervor. Meine Stimme war so knochentrocken wie Stroh.
    Renners Mund öffnete sich in Zeitlupe, und er hob abwehrend die Hände. In diesem Moment sah er so alt aus, wie er war.
    »Das ist nicht Ihr Ernst« sagte er schließlich.
    »Doch«, sagte ich. »So ist es. Meine Mutter hat sie in Berlin 1948 bekommen und zur Adoption freigegeben.«
    »Wissen Mankiewisc und Groß davon?«, fragte Renner.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sind Sie verrückt, es Ihnen nicht mitzuteilen? Man muss da noch einmal nachhaken.«
    »Ich weiß es doch selbst erst seit gestern Abend.«
    Ich stand auf. »Alles läuft in Ihren Augen auf meine Familie hinaus. Wieder einmal und noch dazu ganz schnell. Das werde ich nicht zulassen.«
    Er war ebenfalls aufgestanden und hielt mich nun am Arm fest. »Gehen Sie jetzt nicht.«
    Mit einem Ruck entzog ich ihm den Arm. »Ich weiß, dass ich kaum auf Ihre Loyalität hoffen kann, aber geben Sie mir Zeit, das selbst zu klären, bevor Sie Ihren ehemaligen Schützling Groß informieren. Ich muss nämlich morgen meine Mutter beerdigen. Danach werde ich mit meiner Schwester sprechen. Und Sie wissen doch selbst, dass sie bei Johannas Entführung im Urlaub war und ein wasserdichtes Alibi hatte. So wie Ihren damaligen Ermittlungen nach auch alle anderen in dem Dorf, bis auf Dr. Bruchsahl.«
    Den letzten Satz konnte ich mir nicht verkneifen, und ich wartete nicht

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