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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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ich.
    Ich wartete, dass er weitersprach. Renner sah mich mit einem merkwürdigen, fast zu gelassenen Gesichtsausdruck an.
    »Was?«, fragte ich schließlich.
    Er wandte den Kopf zum Fenster und schaute hinaus, als könnte ihm der knorrige Baum auf dem Hof eine Antwort geben. Er machte keine Anstalten, mir zu antworten.
    »Ich glaube, es hat keinen Sinn, dass wir uns unterhalten«, sagte ich und erhob mich. »Ich sollte besser gehen.«
    »Setzen Sie sich«, sagte er und zeigte auf die Seite, die er aufgeschlagen hatte. »Lesen Sie das.«
    Es war ein Protokoll, genauer das Ergebnis der Spurenuntersuchung an meiner Glock, die sie in Bruchsahls Wohnung auf dem Küchentisch gefunden hatten.
    Ich zog den Ordner näher zu mir und las. Ich kannte das Ergebnis der Untersuchung, doch in dem Moment ließ mich der Text frösteln.

    »Weshalb haben Sie mich dann verhaftet?«, fragte ich.
    »Weil alles gegen Sie sprach. Ihre Morddrohungen. Ihre Waffe. Die Fingerabdrücke. Ihr Auto, das vor Bruchsahls Haus parkte und das die Nachbarin identifizierte. Die Uhrzeit Ihres Besuchs, Ihre eigene Aussage, Sie seien dort gewesen. Ihr Wissen, wo das Kind …«
    »Johanna«, unterbrach ich ihn leise, aber bestimmt. »Das Kind war meine Tochter, und ihr Name war Johanna.« Meine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Nur Sie selbst passten nicht zu einem Mord«, sagte Renner emotionslos, und ich lauschte ihm, als käme seine Stimme aus einem fernen Universum. »Sie sind einfach keine Mörderin. Das hat mir mein Instinkt von Anfang an gesagt, trotz Ihrer Morddrohungen.« Er beugte sich zu mir, und es kam mir so vor, als sollte es eine Entschuldigung sein, und ich sollte sie nun großmütig annehmen.
    Es reichte nicht. Es würde nie reichen. Keine Entschuldigung der Welt würde das Unrecht auslöschen, das dieser Mann an mir und meinem Mann begangen hatte.
    »Was für eine armselige Erklärung«, sagte ich leise. »Ist Ihnen das eigentlich bewusst?«
    »Ihre Waffe«, sagt er und wies mit dem Zeigefinger auf das Protokoll.
    »Ja, die hat mir das Genick gebrochen. Nur dass ich sie niemals benutzt habe.«
    »Es waren aber nur Ihre Fingerabdrücke drauf«, wiederholte er fast störrisch, und in mir wuchs eine Wut, die Jahre in mir geschlummert hatte und die es mir nun schwer machte, mich normal zu unterhalten.
    »Ja, und?«, fragte ich deshalb mit einer Schärfe in der Stimme, die von dieser Wut zeugte. »Meine Fingerabdrücke waren auf dem Lauf. Das steht hier schwarz auf weiß. Aber sie waren nicht auf dem Griff. Sie waren es, Herr Renner, wenn ich Sie daran erinnern darf, den das damals nicht im Geringsten interessiert hat.«

    »Ich bin davon ausgegangen, dass Sie durchgedreht sind, nachdem Sie den Mann einmal vor sich hatten. Dass Sie ihn erschossen haben und dann panisch wurden. Es ist eben etwas anderes, jemanden zu töten, als nur davon zu träumen, es zu tun.«
    »Genau«, erwiderte ich. »Das alles haben Sie dann ja auch Kraft Ihrer Autorität genauso überzeugend zu Protokoll gegeben. Dass ich mir tagelang in meinem Alkoholwahn und Schmerz ausgemalt habe, den Entführer zu töten. Dass ich mich so sehr in meine Rachegelüste hineingesteigert habe, dass ich schließlich gar nicht anders konnte, als ihn bei der erstbesten Gelegenheit tatsächlich umzubringen. Doch als ich es dann getan hatte, war ich so durcheinander, dass ich die Waffe zwar abgewischt habe, aber eben nur die Hälfte, nämlich den Griff. Und dann tat ich das, was alle panischen … oh, ja«, unterbrach ich mich selbst, »… und vor allem kultivierten Frauen, die in so behüteten Verhältnissen wie ich lebten und die noch nie einen Menschen umgebracht haben, Ihrer Meinung nach tun. Ich habe die halb abgewischte Tatwaffe auf den Tisch geworfen und bin vor dem grauenhaften Anblick des Toten und des ganzen Blutes geflohen. Ich erinnere mich noch genau an das Kreuzverhör des Staatsanwalts. Machen Sie sich keine Sorgen, ich könnte auch nur einen Satz der Anklage vergessen haben. Ich habe sie in all den Jahren nicht vergessen. Verdrängt vielleicht. Vergessen niemals.«
    »Sie wussten, wo der Entführer Ihre Tochter gefangen gehalten hatte.«
    »Weil Bruchsahl es mir gesagt hatte.«
    »Eben«, sagte Renner. »Verstehen Sie jetzt vielleicht endlich mal meine Position? Wie kann jemand, der nichts mit der Entführung zu tun hat, das Versteck kennen?«
    »Nein, Herr Renner, so einfach ist das nicht. Und so war es auch nicht. Sie, Sie vor allem, brauchten einen Fahndungserfolg. Sie

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