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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Kanne zur Seite gestellt hatte.
    Ich ließ ihm Zeit. Ich nahm meine Tasse und blies hinein.

    Er schwieg und schaute aus dem Fenster. Über den Tassenrand hinweg folgten meine Augen seinem Blick.
    »Herr Renner?«
    Sein Kopf bewegte sich in meine Richtung.
    »Nun ja«, sagte er und nahm einen Kaffeelöffel Zucker.
    »Sagen Sie mir, was Sie zu sagen haben.«
    Seine Hand rührte mechanisch den Löffel, während er mir zunickte, zufrieden mit meiner Direktheit. Auch er machte nie Umwege. Es war eine Seite an ihm, die ich anfangs gemocht hatte.
    »Sie sind es nicht gewesen.«
    Es traf mich wie ein Peitschenhieb. Ich zuckte zusammen und stellte die Tasse zu hastig ab. Der Tee schwappte über den Tassenrand und sammelte sich auf der Tischplatte zu einer hellen Pfütze.
    Groß hatte es mir bereits gesagt, Mankiewisc ebenso, und an diesem Morgen hatte auch David es angedeutet. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass Renner es mir gegenüber eingestehen würde. Nicht so schnell jedenfalls. Es ging über mein Fassungsvermögen hinaus. Ich zog ein Taschentuch aus meiner Jackentasche und tupfte die Flüssigkeit auf.
    »Wie kommt es?«, fragte ich und hatte Mühe, mich zu beherrschen.
    Es war eine Geschichte zu wissen, dass man unschuldig ist. Doch eine ganz andere war es, wenn derjenige, der einen hinter Gitter gebracht hat, einem schließlich sagt, dass auch er weiß, dass man diesen Mord nicht begangen hat.
    »Bruchsahl ist an der Entführung nicht beteiligt gewesen«, sagte er.
    Mein Körper saß starr und aufrecht in dem Sessel, doch ich fühlte mich wie ein Amboss, auf den gerade ein Schmiedehammer traf, und einen Moment wurde mir schwarz vor Augen.
    Meine Zunge lag so schwer in meinem Mund wie eine Metallplatte. »Aber das habe ich Ihnen gesagt«, stieß ich seltsam lethargisch hervor. »Trotzdem wurde ich verurteilt.«

    Ich wollte fragen, woher dieser Sinneswandel kam, als er sich nach vorn beugte und einen Aktenordner von dem Rollwagen zog. Ein halbes Dutzend eng beschriebener Post-its ragte aus dem Ordner und markierte ein paar Seiten.
    Er schob ihn zu mir herüber.
    Ich betrachtete den Ordner, ohne ihn zu berühren.
    Er beugte sich über den Tisch, drückte die Post-its einen nach dem anderen hinunter und suchte nach etwas.
    »Hier«, sagte er und öffnete den Ordner. »Ich habe es angestrichen.«
    Er öffnete die Metallklemme, schob die Seiten in Schüben auf die andere Seite, bis er fand, was er suchte.
    »Ihre Tochter wurde an einem Mittwochmittag nach der Schule entführt. Sie wurde zuletzt gesehen, als sie im Drogeriemarkt Patronen und ein Haargummi kaufte.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Gut«, sagte er. »Jörn Bruchsahl gab an, an jenem Nachmittag zu Hause gewesen zu sein. Die Postbotin kam kurz nach zwölf. Er schloss gerade die Tür zu seinen Praxisräumen, als sie die Post in seinen Briefkasten warf.«
    Ich erinnerte mich dunkel, dass ihn diese Frau zu Hause gesehen hatte. Doch das war kein Beweis für seine Unschuld. Meine Tochter war bis halb zwei in der Schule gewesen. Er hätte also tatsächlich genügend Zeit gehabt, die 60 Kilometer nach Hamburg zu fahren, sie vor der Schule abzupassen und dann auf den richtigen Moment zu warten, um sie zu entführen. Es hätte so sein können - und Renner und seine Mannschaft hatten genau das angenommen.
    »Dr. Bruchsahl hatte also kein Alibi für die Zeit der Entführung«, sagte er. »Außerdem kannte er den Turm.«
    »Wie alle in dem Dorf«, sagte ich. »Was also hat Ihren Sinneswandel bewirkt?«
    Er nickte bedächtig, als hätte ich etwas gesagt, über das er erst nachdenken musste.

    »Erinnern Sie sich noch, dass Sie in dieser Zeit völlig abgetaucht waren?«
    Ich zuckte mit den Achseln. Was sollte ich erwidern?
    »Sie waren entweder voll mit Alkohol oder zu mit Tabletten.«
    Wieder nickte ich. Manchmal muss man zu seinen Fehlern stehen.
    »Wenn Sie einigermaßen klar waren, haben Sie immer wieder dasselbe gesagt: Wenn Ihrer Tochter etwas zustoßen sollte, und sei es nur, dass sie einen verstauchten Finger hat, dann würden Sie den Täter umbringen. Erinnern Sie sich?«
    Natürlich erinnerte ich mich nicht, denn ich war in dieses eigenartig gefühllose Nichts aus Alkohol und Tabletten abgetaucht. Aber man hatte mich im Nachhinein oft genug daran erinnert, und als ich nach Johannas Tod nüchtern war, war es meine tiefste Überzeugung gewesen. Ich würde diesen Menschen umbringen.
    »Sie waren sehr überzeugend«, sagte er.
    »Ich meinte es damals so«, sagte

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