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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Sonnenbrille und eine Mütze, die er weit in die Stirn gezogen hatte. Es war nichts Bemerkenswertes an ihm außer einer großen, gekrümmten Nase, und ich achtete nicht weiter auf ihn.
    Ich bückte mich und hob Blumen und Vase auf.
    »Du holst jetzt neues Wasser, Josey«, sagte ich und gab ihr die Vase. »Der Brunnen ist da vorn.«
    »Weiß ich«, sagte sie, und dann kleinlaut: »Das wollte ich nicht.«
    »Schon gut«, sagte ich und kniete mich vor sie. »Du musst mich nur nicht so schubsen.«
    »Ja«, sagte sie und lachte. Ich liebte sie dafür und hätte sie gar zu gern in den Arm genommen. Doch auf der anderen Seite sah der Junge mit dem Hund schon wieder zu uns herüber, und ich wollte ja lernen.
    Josey rannte zum Brunnen. Sie lief viel zu dicht an den Gräbern entlang, und ihre Schuhe warfen die präzise geharkte Erde in kleinen Klümpchen hinter ihr auf. Ich ging in die andere Richtung auf der Suche nach einer Harke. Ich hatte schon auf dem Weg zu Kais Grab in die kaum wadenhohen Hecken auf der anderen Seite geschaut, weil Witwen ihre Harken häufig in den Hecken verstecken.
    Ich musste fast bis ans Ende der Gräberreihen gehen, doch dann fand ich eine Harke, die im Schatten der Hecke unter einem dünnen Schneemantel lag. Ihr Holzstiel war verwittert, die Forke verrostet.
    Ich wischte den Schnee von dem Stiel und ging zurück. Joseys Kopf mit der blauen Mütze leuchtete über dem Brunnenrand,
und ich lächelte, weil man nicht mehr von ihr sah und sie noch so viel kleiner war, als sie es sich wünschte.
    Ich sah mir das Muster um Kais Grab herum an, das Rena geharkt hatte und das Josey und ich zertreten hatten. Ich zog feine Linien in die tiefdunkle Erde, setzte die Harke in einem Winkel von 45 Grad an und zog schräge Streifenblöcke hinein. Ich nahm die Blumen auf, schüttelte den letzten Schnee heraus und sah mich nach Josey um. Ich sah ihren Kopf über dem Brunnenrand. Ich zog eine weitere Linie.
    Etwas war eigenartig. Ich stutzte, sah hoch. Der Kopf bewegte sich nicht.
    »Josey!«; rief ich. Der Kopf klebte wie festgewachsen auf dem Brunnenrand.
    Ich ließ die Harke fallen. Ich lief in einer Geschwindigkeit zum Brunnen, wie ich sie seit meiner Studienzeit nicht mehr entwickelt hatte.
    Ich schrie nach ihr und kramte beim Laufen in der Tasche nach meiner Glock. Als ich am Brunnen ankam, stand ihre Mütze auf dem Rand.
    Meine Tochter war fort, die Vase lag auf dem Boden. Ich riss die Mütze an mich. Panik erfüllte mich, während ich ungläubig nach ihr rief und die Verzweiflung mit spitzen Krallen nach mir griff.
    Ich rief sie, ich rannte durch die Grabreihen, durch Pfützen und über den aufgeweichten Boden. Schlamm spritzte auf und klebte am Saum meines knielangen schwarzen Mantels fest.
    Ich rannte zurück zum Brunnen, dann über den ganzen Friedhof, wieder und wieder ihren Namen rufend. Ich stürmte an dem Mann vorbei, der sich nach mir umsah. »Meine Tochter«, rief ich. »Ich suche meine Tochter!« Der Mann schüttelte den Kopf.
    Eine alte Frau sprang zur Seite, als ich an ihr vorbeistürmte.
    »Psssst«, zischte es plötzlich neben mir.
    Ich hielt abrupt inne, fuhr herum und richtete meine Glock
auf etwas, das mir bis zur Hüfte ging. Der Junge steckte den Kopf aus dem Rhododendron. Die Bewegung hatte Äste und Blätter erschüttert. Schneeflocken rieselten auf seinen Kopf und die Jacke. Er hielt den Kopf genau vor den Lauf meiner Pistole, eine Schneeflocke traf seine Nase und schmolz im selben Moment.
    »Meine Güte«, sagte ich und nahm die Glock herunter.
    »Wir spielen Verstecken«, sagte er, den Kopf hektisch hin und her drehend und gleichzeitig die Nase rubbelnd, als kitzelte ihn etwas. »Ich bin dran. Sie müssen jetzt gehen.«
    »Wo ist meine Tochter?«, flüsterte ich.
    »Weiß ich nicht«, sagte der Junge und bückte sich zu dem Hund, der neben ihm aus der Hecke kam. »Sie muss mich doch suchen.« Er schob den Hund zurück in die Hecke und verschwand.
    Ich blieb stehen, wo ich stand. Mein Atem ging schwer, und ich schwitzte. Ich wischte mir die Stirn.
    »Sie müssen weggehen«, zischte es noch einmal aus der Hecke. Ich schlenderte die Grabreihe entlang und versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, während meine Augen ruhelos die Grabreihen nach meiner Tochter absuchten.
    Ich setzte mich auf Kais Grabumfassung, den Kopf in die Hände gestützt, und wartete. Mein Herz schlug schnell und kräftig, und meine Lungenflügel pumpten die klare Winterluft in meinen Körper.
    Meine Stiefel

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