Im Zeichen der blauen Flamme
Stallburschen fütterten die Pferde und rieben sie trocken. Bald erhellte ein Feuer die tiefe, dunstige Finsternis. Die erschöpften Krieger drängten sich um die wärmende Glut. Plötzlich wieherten die Pferde und zerrten an ihren Leinen. Die Stallburschen sprangen auf, um sie zu beruhigen.
Susanoo runzelte die Brauen. »Was ist denn mit ihnen los?«
Die Antwort kam von Kubichi. »Sie wittern die Wölfe â¦Â«
Regungslos, aufs ÃuÃerste gespannt, lauschte sie in die Nacht. Dann gab sie den Dienern ein Zeichen. »Schafft Brennholz herbei! Wir müssen das Feuer gröÃer machen!«
Kubichis Anweisungen befolgend, schichteten sie das Holz im Halbkreis um das Lager auf. Bald loderten die Flammen auf; dichter Rauch stieg in die Höhe. Die Männer liefen hin und her, halb erstickt und von Hustenkrämpfen geschüttelt. Das Stampfen und ängstliche Wiehern der Pferde erfüllten die Mulde. Plötzlich, wie durch Zauberhand, trat wieder Stille ein, und alle hörten deutlich einen durchdringenden heulenden Schluchzton, der gleich dem Stöhnen des Windes in der Dunkelheit anschwoll und verebbte.
Kubichis Atem flog. »Sie sind ganz nahe â¦Â«, murmelte sie.
Von Neuem ertönte das gespenstische Klagen. Es war, als ob die Stimmen der Geister im Schoà der Erde den letzten Tag der Menschen und der Gestirne ankündigten â¦
Im blutroten Flammenschimmer wurden schmale graue Gestalten sichtbar, die lautlos über den Schnee schlichen. Helle grünliche Augenpaare leuchteten auf, dem Licht phosphoreszierender Steine ähnlich. Hokiji ergriff einen glühenden Zweig, schwang ihn im Kreis und warf ihn in hohem Bogen in die Richtung der Raubtiere. Die Wölfe duckten sich und wichen zurück. Einige Männer hatten Pfeile an ihre Bogensehnen gelegt, doch Susanoo winkte ab.
»Wir dürfen keine Pfeile vergeuden!«
Er löste seine Peitsche vom Sattelknopf und suchte einen geeigneten Stein, den er an der Lederschnur festknüpfte. Einige bange Augenblicke verstrichen. Die Wölfe schwiegen jetzt, als wollten sie ihr Vorrücken verheimlichen, doch die Männer spürten, dass sie sich aus verschiedenen Richtungen heranschlichen. Auf einmal wieherten die Pferde und rissen wie wahnsinnig vor Angst an ihren Seilen. Zwei Wölfe, anscheinend die Anführer des Rudels, tauchten aus der Dunkelheit auf. Ihr Fell war gesträubt, sie fletschten die Zähne und ihre Augen funkelten rötlich in der Glut. In der schnellen Wechselfolge von Licht und Schatten schienen die Tiere über das Feuer zu fliegen. Der eine Wolf krallte sich in den Strohpanzer, der Kuri-Uma vor der Kälte schützte, und schlug die ReiÃzähne in den Hals des Pferdes; der andere verbiss sich in die Hinterhand eines der Packpferde. Die Tiere stoben auseinander, bäumten sich auf und wieherten vor Schmerz. Die Stallburschen rannten hilflos und schreiend umher. Susanoo stieà einen der nächststehenden zur Seite, dass er taumelte, und warf sich mit schwingender Peitsche in das Gewühl. Die Lederschnur durchschnitt pfeifend die Luft, der eingeknüpfte Stein zerschmetterte den Schädel des Wolfes, der Kuri-Uma angefallen hatte. Das Raubtier fiel schlaff in den Schnee. Blut sickerte hinter dem zerrissenen Strohpanzer. Im selben Augenblick beschrieb Hokijis Schwert einen silbernen Bogen. Der Kopf des zweiten Wolfes wurde vom Rumpf getrennt. Noch waren die Zuckungen des Kadavers nicht abgeklungen, als sich auch schon die anderen Wölfe mit gierigem Hecheln auf ihn stürzten. Der fade Geruch der dampfenden Gedärme stieg in die Luft und das Knurren, Schmatzen und Splittern der Knochen war deutlich zu hören.
Kubichi näherte sich gelassen dem Feuer und spähte hinüber. »Das wird sie eine Weile beschäftigen!«
Susanoo untersuchte Kuri-Umas Wunde. Der Strohpanzer hatte den Hengst geschützt, die Verletzung war nicht tief. Aber das Packpferd war übel zugerichtet. Zitternd stand es da, während ihm das Blut aus der klaffenden Wunde rann.
»Der Blutgeruch wird die Wölfe anziehen«, meinte Kubichi. »Sie werden unserer Fährte folgen und sich zum Angriff sammeln.«
Susanoo nickte grimmig. »Wir müssen morgen das Tal erreichen, und wenn sich die Pferde das Herz aus dem Leibe rennen!«
»Das Mädchen wird uns aufhalten«, knurrte Hokiji. Eisai schnellte herum. Seine Hand umschloss den Schwertgriff und zog die Klinge
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