Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
weit und breit nichts zu sehen. Die Lawine hatte ihn begraben.
    Susanoo hockte sich auf den Fersen nieder, um seine Kräfte zu sammeln. Seine Blicke wanderten die Bergflanke hinauf und er erstarrte: Dort, wo der Fels sich gelöst hatte, klaffte eine große rote Wunde im Gestein. Felsbrocken und Geröll hatten den Grubeneingang verschüttet. Die unterirdischen Adern, aus denen das Erz wuchs, waren für immer verschlossen …
    Demutsvoll senkte Susanoo den Kopf. Die Göttin wollte nicht, dass er ein neues Schwert schmiedete. Sie hatte ihm den Alten über den Weg geschickt, dann den Schnee und schließlich die Steinlawine. Das waren Zeichen, die kein Mensch übersehen durfte.
    Kubichi erriet, was sein Herz bewegte. Und plötzlich warf sie sich vor ihm zu Boden, lag ausgestreckt ihm zu Füßen; ihre Finger krampften sich in den Schutt.
    Â»Ich bin an allem schuld!«, schluchzte sie. »Der Berg grollt mir, weil ich den Alten getötet habe!«
    Er kniete bei ihr nieder, richtete sie auf und streichelte ihr Gesicht, umfasste sie, drückte sie an sich. Leise und beruhigend sprach er: »Das Böse, das von unserem Geist ausgeht, kann Gestalt annehmen und zu Fleisch und Blut werden. Sein Atem kann die Erde vergiften, seine Blicke wie Pfeilspitzen morden. Wir müssen das Böse vernichten; wie können wir zur Göttin aufblicken, wenn unsere Herzen mit Dunkelheit gefüllt sind?«
    Tränen rannen ihr über die Wangen. »Du hattest meinen Rat befolgt. Ich war es, die dich ins Verderben stürzte!«
    Da küsste er ihr die Tränen von den Augen und lächelte. »Jedes Geschehnis reiht sich wie ein Kettenglied an das andere. Wer sieht klar, wenn nicht die Göttin, die diese Kette schmiedet?«
    Wirr und blutverklebt hingen ihr die blauschwarzen Locken über die Stirn. Schaudernd sprach sie: »Du hast dem Berg sein Opfer verweigert. Er wird uns mit seiner Rache verfolgen!«
    Er schloss sie in seine Arme und half ihr, sich aufzurichten. »Fürchte dich nicht. Wir werden die Verschütteten bergen und unverzüglich umkehren. Ich hatte der Göttin die Entscheidung überlassen. Jetzt hat sie eindeutig geantwortet und mich von meinen Zweifeln erlöst: Ein neues Schwert soll nicht geschmiedet werden!«

9
    E inige Männer konnten lebend geborgen werden, doch viele waren von der Gesteinsmasse zermalmt worden. Auch Tsuru und Inue befanden sich unter den Toten. Die Steinlawine hatte einen Teil des Lagers vernichtet. Ein Stallbursche war verschüttet worden; der Rest der Dienerschaft hatte außer Hautabschürfungen und verstauchten Gliedern keinen Schaden erlitten. Masumi, die unter einem Felsvorsprung lag, war mit dem Schrecken davongekommen. Die Pferde hatten sich losgerissen; einige von ihnen waren entflohen und konnten nicht mehr eingefangen werden.
    Das Lager wurde in aller Eile abgebrochen. Eisai hatte Masumi hinter sich am Sattel festgebunden. Das Mädchen stöhnte vor Schmerz. Bei jedem Schritt des Pferdes spürte sie, wie der Verband sich lockerte und der geschiente Knochen langsam wieder freigelegt wurde. Die Sonne war hinter einem Schleier phosphoreszierenden Lichts verschwunden. Der gefrorene Schnee knirschte unter den Hufen, der Atem verwandelte sich in weißen Dampf. Der Abstieg durch die engen, felsigen Schluchten wollte kein Ende nehmen. Gegen Abend kam wieder Wind auf. Dunststreifen wehten über die Bergkuppen und plötzlich näherten sich von allen Seiten lautlos und dicht die Nebelschwaden.
    Susanoo gab Befehl, das Lager aufzuschlagen. Sie fanden eine windgeschützte Mulde, wo nur eine dünne Schneeschicht lag. Eisai half Masumi aus dem Sattel und ließ sie behutsam auf den Boden nieder. Das Mädchen stieß einen tiefen, heiseren Seufzer aus.
    Â»Habe ich dir wehgetan?«, flüsterte Eisai betroffen.
    Masumis Stimme war nur ein Hauch. Sie schüttelte sich vor Fieber. »Nicht genug, um mich zu töten!«
    Â»Schweig darüber!«, murmelte Eisai voller Verzweiflung.
    Er richtete ihr ein Lager her und nahm ihr den Verband ab. Die Wunde sah nicht gut aus. Eisai bedeckte sie mit sauberem Stoff. Dann nahm er zwei Äste, schnitzte sie zurecht und befestigte sie mit einem Verband. Masumis Gesicht verfärbte sich, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Sie hatte die Augen geschlossen. Eisai deckte sie zärtlich zu. Er kniete neben ihr am Boden und lauschte auf ihre Atemzüge.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher