Im Zeichen der blauen Flamme
dahinschlängelnden Spuren gerichtet. Der Schnee wurde immer tiefer. Verbissen arbeiteten sie sich den Steilhang hinauf. Bald verfärbte goldenes Licht den Horizont und die Sonnenstrahlen blitzten von weit her auf. Der Berg hing über ihnen in rosa glitzernder Pracht wie eine Riesenwelle, die sich in den Himmel schwingt, bereit, zurückzufallen und alles zu vernichten.
Plötzlich rief Hokiji: »Da oben ist er!«
Susanoo schirmte seine Augen mit der Hand ab. Er sah etwas von einem Felsen zum anderen huschen.
»Vorwärts!«, brüllte Kijama. »Holt ihn ein!«
Die Männer setzten alles daran, ihm so schnell wie möglich zu folgen. Der Alte war jetzt deutlich sichtbar: Er glich einer schwarzen, sich windenden Eidechse, die sich mit unglaublicher Behändigkeit über die Schneewüste fortbewegte. Er lief, sprang und humpelte den Pfad hinauf, der zur Erzgrube führte.
Susanoo blieb keuchend stehen und stieà Verwünschungen aus. »Wenn der sich in der Höhle verkriecht, entkommt er uns. Die Grube wird irgendwo einen anderen Ausgang haben â¦Â«
Er hörte ein Geräusch neben sich. Kubichi hatte einen Pfeil aus dem Köcher gezogen. Sie warf ihren Umhang zurück, legte den Pfeil an die Bogensehne, spannte die Sehne und lieà den Pfeil zielsicher und geschickt abschwirren. Der Pfeil schoss über das Schneefeld. Im vollen Lauf getroffen, taumelte der Alte, machte eine Vierteldrehung und kippte über den Felsrand. Er fiel wie ein Stein. Eine leichte Schneewolke stob auf, als er, sich mehrmals überschlagend, über den Hang glitt und regungslos liegen blieb. Es war, als ob alles - der Himmel, der Berg, die Menschen - den Atem anhielt. Dann wurde ein vielstimmiges Triumphgeschrei laut. Das Echo warf den Schrei zurück - und da, der Berg bewegte sich, wie wenn ein ungestümer Hengst versucht, seinen Reiter abzuschütteln. Es war ein Knirschen, Splittern, Schaben. Ein Schneeschleier rieselte von der Felswand, während dumpfes, Unheil verkündendes Grollen aus Himmel und Erde drang. Das Grollen wurde deutlicher, gewaltiger, lieà den Boden erzittern. Ein berstendes Krachen und Poltern. Oberhalb des Grabeneingangs brach ein Spalt auf: Eine ungeheure Gesteinsmasse, mit Schnee vermischt, stürzte den Hang hinunter, rutschte über die Männer hinweg, begrub sie und schleuderte sie in die Tiefe. Kubichi schrie auf, versuchte zu fliehen. Susanoo riss sie an sich, warf sich mit ihr gegen einen Felsblock und schützte sie mit seinem Körper. Ein Sirren, ein eisiger Luftzug: Schnee und Gesteinsbrocken stürzten über sie hinweg. Der Sog riss sie mit, sie wurden den Hang hinabgefegt, prallten gegen einen Felsen. Der Himmel brach über ihnen zusammen â¦
In der langsam wieder einkehrenden, furchtbaren Stille polterten vereinzelte Steine. Susanoo hob wie benommen den Kopf, befreite sich vom Schnee in Mund und Nase. Er bekam Luft in die Lunge und atmete wie ein Ertrinkender. Es war ihm unmöglich, das Zittern seiner Hände, Knie, seines ganzen Körpers zu beherrschen. Kubichi lag regungslos unter ihm. Er hatte sich die Arme fast ausgerissen, während er sie festhielt. Sie bewegte sich und stöhnte, dann schüttelte sie ein Hustenanfall. Ihr Gesicht war blutverschmiert, eine tiefe Schramme zog sich über ihre Stirn.
»Bist du verletzt?«, keuchte er. »Hast du Schmerzen?«
Sie schüttelte den Kopf, unfähig, ein Wort über die Lippen zu bringen. Ihr Atem ging pfeifend. Hokiji lag einige Schritte von ihnen entfernt und versuchte, den Schnee aus seinem Hals zu würgen. Er richtete sich taumelnd auf und half Eisai, der halb verschüttet war, sich aus dem Schnee zu befreien. Der junge Offizier sah völlig verstört aus; das Gesicht war blau und entstellt, die Augen starr vor Furcht. Blut und Schnee klebten an seinem Haar. Hokiji grub im Schnee nach seinem Schwert, fand es und wollte über die Steine steigen.
»Warte!«, schrie Susanoo.
Hokiji blieb stehen. Schweià lief ihm übers Gesicht. In der Ferne wurde ein Schrei laut, dann ein anderer. Langsam, wie erstarrt, richtete Susanoo sich auf. Die Steinlawine erstreckte sich über den ganzen Hang. Die Männer, die mit dem Leben davongekommen waren, bewegten sich wie schwerfällige, nasse Käfer und suchten nach Verschütteten. Kubichi kauerte zitternd im Schnee. Hokiji und Eisai waren bis auf ein paar Schrammen unverletzt. Von Kijama war
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