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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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zuckten wie geblendet und seine Augen blieben fasziniert an ihr haften. Ihr überschlanker Körper, in spinnwebfeine Seide gehüllt, glich einem Blumenstängel, auf dem das ovale, vollendet schöne Gesicht wie ein Blütenkelch schwebte. Die fächerförmigen Ärmel glichen Blättern, aus denen die weißen Hände wie zarte Knospen schauten. Ihr ebenholzschwarzes Haar bedeckte wie ein Schleier die Schleppe ihres Gewandes. Mit schwereloser Grazie wandte sie sich dem Mann im stinkenden, fettgetränkten Bärenfell zu, kaum dass ein unmerkliches Beben der Nasenflügel ihren Ekel verriet, und bot ihm lächelnd das Schälchen dar. Einige Atemzüge lang verharrte Karas wie versteinert. Dann nahm er ihr mit ungestümer Bewegung das Schälchen aus der Hand und leerte es in einem Zug, worauf von allen Seiten Lachen und Beifall erklangen. Karas’ Atem ging fliegend. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und starrte auf die junge Frau, die anmutig wieder auf ihre Fersen zurückgesunken war. Ein schelmisches Lächeln spielte um ihren Mund; ihre lang bewimperten Augen schimmerten wie schwarze Steine.
    Iris spöttische Stimme riss ihn aus seiner Benommenheit. »Ich sehe, dass der Wein dir schmeckt! Aber bevor du mehr davon kostest, empfehle ich dir, dich deines Felles zu entledigen. Der Geruch scheint die Damen zu stören. Außerdem ist der Saal ausreichend geheizt«, fügte er unter allgemeinem Gelächter sarkastisch hinzu.
    Karas’ Augen flackerten verstört. Zögernd ließ er das Fell von seinen Schultern gleiten. Er trug die kurzen Beinkleider aus Pflanzenfasern der Ainu, dazu einen Wickelüberwurf mit schwarz-roten Mustern. Seine Strohgamaschen waren mit Lederbändern festgewickelt. Ein Langschwert und ein Krummdolch hingen an seinem Gürtel. Die Damen blickten verstohlen und glucksten, während die Herren verächtlich grinsten.
    Â»Nimm dort Platz, Sohn des Nordsterns!« Iri wies wohlwollend auf ein Kissen neben der Hofdame im grünen Gewand. »Du wirst gewiss schon einen ganz anderen Eindruck von meiner Herrschaft bekommen haben.«
    Â»Wie ich sehe, habt ihr reichlich zu essen«, sagte Karas.
    Die junge Frau ließ ein klares, helles Lachen hören; aus den kleinen weißen Zähnen wurden Glöckchen, die ihn zu verspotten schienen.
    Doch der König verzog keine Miene. »Bist du hungrig?«, erkundigte er sich freundlich.
    Karas senkte den Blick. »Ja, Herr.«
    Iri gab ein Zeichen. Man brachte Speisen. Die Schalen und Becher waren so dünn, dass Karas fürchtete, sie könnten in seinen Händen zerbrechen. Während er gierig das Essen verschlang, schenkte ihm die Hofdame immer wieder neuen Reiswein ein. Ihre Bewegungen waren von vollendeter Anmut. Sie blickte ihn verschmitzt von der Seite an und Karas wandte verwirrt die Augen ab. Sein Blick fiel auf eine Gestalt, die abseits im Halbdunkel kniete. Es war eine Frau. Karas sah nur die Umrisse ihres Kopfes, ihrer Schultern und das Schillern ihres blutroten Gewandes. Doch er spürte ihren scharfen, abschätzenden Blick wie eine Berührung. Eine abgebrannte Fackel knisterte in einem bronzenen Halter. Ein Diener kam, um sie auszuwechseln. Das helle Licht flammte auf und das Antlitz der Frau trat aus dem Schatten hervor. Karas fühlte ein eigentümliches Prickeln auf der Haut. Er hatte die Frau nur einmal gesehen, aber er erkannte sie sofort: Es war Toyo-Hirume-no-Mikoto, die Tochter der letzten Sonnenkönigin von Yamatai 6 . Sie hielt den Oberkörper sehr gerade, sehr hoch aufgerichtet. Den Kopf hielt sie bewegungslos, die weiten Ärmel verbargen die Hände. Sie glich einer aufrechten, blitzenden Klinge. Das weiß geschminkte Gesicht war starr. Ihre tiefschwarzen, mit goldenen Glanzlichtern aufleuchtenden Augen blickten ihn an. Er fühlte sich durchschaut von diesem Blick, der ins Nichts tauchte und zugleich in seinem Herzen las. Ein Luftzug ließ das Fackellicht aufsprühen. Da sah er das Geschmeide, das sie um den Hals trug: eine breite, polierte Knochensichel, dem Fellkragen eines Bären ähnlich.
    Es war der Schmuck seiner Schwester Kubichi.
    Karas durchfuhr es siedend heiß. Er wollte sprechen, eine Frage stellen.
    Da berührte eine zarte Hand seinen Arm. Eine sanfte, melodische Stimme fragte: »Noch etwas Wein, Herr?«
    Er wandte den Kopf. Die Hofdame lächelte ihn an. Ihre blütenweißen Hände

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