Im Zeichen der blauen Flamme
Herr ⦠die Dame Ama no Uzume hat heute Morgen die Burg verlassen.«
Karas packte die Frau am Arm. Seine Finger bohrten sich wie Krallen in das weiche Fleisch. Die Zofe lieà das Tablett fallen, Fischsuppe und Essiggemüse breiteten sich auf der Matte aus.
»Das ist doch nicht möglich!«, schrie er.
Die Dienerin stöhnte vor Schmerz. Ihre Augen flackerten verstört. »Seine Allerhöchste Majestät hat angeordnet ⦠die Verehrungswürdigen Hofdamen mit dem Schiff nach Takeri zurückzubefördern. O Herr! Ihr tut mir weh!«, jammerte sie.
Karas konnte sich kaum noch beherrschen. »Aber die Dame hat doch gestern Abend an einem Fest teilgenommen!«
Das Gesicht der Zofe war grau vor Furcht. Sie versuchte vergeblich, sich seinem Griff zu entziehen. »Verzeiht, Herr! Dieses Fest fand schon vor zwei Tagen statt â¦Â«
Karas lieà sie los. Sie taumelte zurück, hob mit zitternden Händen das Tablett und die GefäÃe auf und ergriff die Flucht. Das Aufklatschen ihrer nackten FüÃe entfernte sich in den Gängen. Karas stand da wie versteinert. Sein Bewusstsein wurde plötzlich von der Erkenntnis durchdrungen, dass er betrogen worden war. Instinktiv griff er nach seinem Schwert; da fiel ihm ein, dass er waffenlos war. Alles wurde zu einem Albtraum, verlangsamte sich und vollzog sich wie im Nebel. Was wird aus mir? Bin ich ein Gefangener?Er stierte entgeistert vor sich hin. Als er weiterging, prallte sein Blick an den ausdruckslosen Blicken der Wachen ab, doch keiner machte Anstalten, ihn festzunehmen. Sie lieÃen ihn ungehindert durch, als er in den Innenhof trat.
Hunderte von schwer bewaffneten Kriegern scharten sich vor dem Haupttor. Die Pferde stampften erregt und schüttelten die geflochtenen Mähnen. Lanzen, Speere und Sättel lagen bereit; Stallburschen striegelten die Pferde und putzten das Sattelzeug. Karas entdeckte Shinshi, einen der Offiziere aus Yi-Ams Gefolge. Er war ein junger, sehr hochgewachsener Mann, mit dem er des Ãfteren getrunken und gescherzt hatte. Er trug einen Brustpanzer aus lackierten Schuppen und metallene Beinschienen.
»Was geht hier vor?«, fragte Karas.
Shinshi wandte sich stirnrunzelnd um. Dann lachte er verächtlich auf. »Bist du nun endlich aus deinem Rausch erwacht? Wenn man den Reiswein nicht vertragen kann, sollte man ihn mäÃig genieÃen!«
»Es wurde mir ein Schlafmittel hineingegeben!«, schrie Karas, dessen Kopf vor Schmerzen fast zu bersten schien.
Shinshis Mund verzerrte sich. Er spuckte in den Sand. »Ein Tier weiÃ, wann es genug hat. Ein Mensch sollte es daher erst recht wissen!« Einige Männer lachten.
Der junge Ainu knirschte mit den Zähnen. »Ich bin Gast und der Freund des Königs!«
Shinshi betrachtete ihn eiskalt. »Zu lange schon treibst du dich bei Hofe herum, isst unseren Reis und trinkst unseren Wein. Du belästigst unsere Damen und strapazierst unsere Geduld. Das Spiel ist jetzt zu Ende! Der König hat eingesehen, dass er dich für seine Pläne nicht gebrauchen kann. Noch heute wird unser Heer zum Ikoma vordringen, um deinen verwilderten Artgenossen eine Lehre zu erteilen. Ein StoÃtrupp ist schon unterwegs. Er wird dem Herrscher von Izumo einen Empfang bereiten, auf den er gewiss nicht vorbereitet ist.« Seine Zähne blitzten unter den schmalen Lippen. »Du einfältiger Narr! Glaubtest du wirklich, Seine Allerhöchste Majestät hätte seine Zeit für nichts mit dir vergeudet?«
Karas sprang auf ihn zu. Seine Rechte fuhr hoch und traf Shinshi an der Kinnlade. Der Offizier taumelte. Karas versetzte ihm einen Hieb mit der Linken, der ihn gegen die Wand schleuderte. Hände packten ihn, zerrten ihn zurück. Er schlug und stieà um sich, mehr wie ein gefangenes Tier als ein Mensch. Dann spürte er einen heftigen Schlag und fiel mit dem Gesicht in den Sand. Als er sich krümmte, drückte Shinshi ihm das Knie gegen das Rückgrat, schlang den Arm um Karasâ Hals, zog ihn zurück, bis die Wirbel sich spannten.
»Das Messer sitzt dir an den Rippen...«, zischte er. »Eine Bewegung, Freund, und du hast es in der Leber â¦Â« Karas hörte auf, sich zu wehren. Die Stimme Shinshis knurrte: »Allein der Gunst des Königs verdankst du es, dass du noch am Leben bist. Du sollst sehen, wie dein Volk vernichtet wird und die Tochter des Porunnesipa unserem Triumphzug in Ketten folgt â¦Â« Er
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