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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wurfspieß. Ihre Zähne blitzten, als der Schaft aus funkelndem Metall seinen Flug nahm. Doch der Tunguse war schneller. Seine Streitaxt durchschnitt die Luft und traf Tisina mitten in die Brust. Noch während sie stürzte, ohne einen Laut von sich zu geben, brachte Susanoo den Reiter mit einem Schwerthieb zu Fall.
    Tisina lag reglos im hohen Farnkraut. Susanoo kniete sich neben ihr hin und die Leibgarde bildete um ihn einen schützenden Wall. Tisinas Gesicht war starr, ihre Pupillen seltsam geweitet. Sie presste beide Hände auf die Brust; hellrotes Blut tränkte ihr ledernes Gewand. Susanoo sah sofort, dass die Wunde tödlich war.
    Tisinas Stimme war nur noch ein Hauch. »Du hast dich nicht getäuscht … es war eine Falle!«
    Â»Ich versprach, euch zu retten, stattdessen habe ich euch ins Verderben gestürzt«, sagte er bitter.
    Doch sie schüttelte den Kopf. »Retten lassen sich … die Aiu-Utari nicht mehr. Alle, die hier sterben … werden ihre Himmlische Heimat … nicht mehr erreichen. Du kannst uns nicht helfen … Schütze dich selbst! Die Herrin der Bären … erwartet dich. Geh … vollziehe die Riten … bevor es zu spät ist …«
    Er erbebte. »Was willst du damit sagen?«
    Tisina hörte die Frage nicht mehr. Ihre erschlafften Hände lösten sich von ihrem blutgetränkten Gewand. Sie stieß einen Seufzer aus und lag still. Susanoo drückte ihr sanft die Augen zu.
    Plötzlich bemerkte er einen scharfen Geruch. Ein Schatten fiel vor ihm auf den Boden. Ikanui, der Ottena der »Hirsche«, stand, in sein Bärenfell gehüllt, schnaufend und schwitzend vor ihm.
    Â»Ist sie tot?«, fragte er.
    Â»Ja.«
    Susanoo erhob sich. Ikanui gab ein Zeichen: Zwei Männer ergriffen die Verstorbene und schleppten sie fort. Die Ainu ließen ihre Toten nie liegen. Susanoo bemühte sich verzweifelt, Tisinas letzte Worte aus seinem Bewusstsein zu verdrängen. Die Ainu waren der Situation nicht gewachsen. Sie warfen sich dem Reiteransturm mit größter Kaltblütigkeit entgegen. Ihr Mut war bewundernswert, aber sinnlos.
    Â»Wir müssen herausfinden aus diesem Loch«, zischte er. »Sonst werden sich bald die hier getöteten Aiu-Utari zu Bergen auftürmen!«
    Â»Warum sollen wir fliehen?« Ikanuis Frage klang trotzig. »Ich weiß, dass uns die Sisamu die große Schande bringen. Darum lass uns in Ehren sterben.«
    Susanoo verfluchte innerlich den verstockten Häuptling. Sein Verstand arbeitete wieder klar und scharf. Die einzige Rückzugsmöglichkeit, die ihnen blieb, waren die Felsen über dem Flussufer.
    Â»Ich sage dir: Zieht euch zurück!«, donnerte er Ikanui an. »Dahinten in die Felsen! Los! Meine Männer werden als Deckung hierbleiben!«
    Â»Ist das ein Befehl?«, schnaubte hochfahrend der Ainu.
    Â»Ja!«
    Susanoo wandte ihm den Rücken zu. Er packte sein erschrecktes Pferd am Zügel, schwang sich in den Sattel und winkte seiner Leibgarde. »Folgt mir!«
    In gestrecktem Galopp jagte er seinen Hengst den schmalen Flusslauf entlang und durch die Tungusenreihen, ehe die den Vorgang überhaupt begriffen.
    Der Abzug der Ainu begann wie eine planlose Flucht, weil die Befehle in dem Durcheinander nicht überall ankamen. Dann aber sammelten die Ottena ihre Leute und trieben sie durch die Schlucht. Die Tungusen sprengten von beiden Seiten heran, stachen und schlugen auf die Fliehenden ein. Alles, was jetzt folgte, war ein albtraumartiger Ablauf von Geschehnissen: Hufe, die auf den Boden hämmerten, Staubfahnen aufwirbelnd wie Todesschleier, rennende, schreiende Ainu, das Tosen der Muschelhörner, die den Rückzug bliesen, das schrille Wiehern der verwundeten Pferde. Plötzlich brüllte ein Tunguse: »Fasst ihn! Es ist der Herrscher von Izumo! Lasst ihn nicht entfliehen!«
    Susanoo beugte sich über die Mähne seines Hengstes, grub beide Knie in die bebenden Flanken. Ein Sirren, ein klirrendes Geräusch: Ein Speer war durch den Harnisch in Kuri-Umas Brust gedrungen. Der Hengst stolperte und stürzte mit solcher Wucht zu Boden, dass er sich überschlug. Susanoo wurde aus dem Sattel geschleudert, doch die weiche Erde dämpfte seinen Sturz. Er rollte sich geschmeidig hinter einen Felsen, und als er wieder auf die Füße sprang, hatte er sein Schwert bereits gezückt. Die Tungusen stürzten sich von allen Seiten auf ihn. Er stach und

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