Im Zeichen der gruenen Sonne
Schlammwelle über die Hafenanlage hinweg, und für einen Augenblick sah man durch das offene Tor nur braunes Wasser. Ein gutes Gefühl, hier unten in Sicherheit zu sein, fand Abdallah. Es war schnell vorüber – eine Sekunde später schien wieder das Tageslicht herein. Der Fluss war übersät von treibenden Trümmern und leeren Fässern; der ganze Dreck, den die Welle mitgerissen hatte, schwamm da draußen. Wie ein treibender Korken tauchte dazwischen der runde Kopf eines kleinen Männleins auf, das hustete und Wasser spuckte.
»Hofschmeichler«, rief Kero-Sin durch das offene Tor, »hierher! Uns fehlt der dritte Mann!«
Der Hofschmeichler schwamm im gepflegten Bruststil auf die Kaimauer zu. »Meint Ihr nicht, o Herr der leichtfertigen und voreiligen Entschlüsse, dass jetzt eine ziemlich ungünstige Zeit für Skat ist?«
Abdallah zog ihn aus der Brühe in die »Rennbootgarage«.
»Okay!«, befahl Kero-Sin. »Alle Mann in die Boote!«
Wasserspiele und das Ende vom Ende
»Ja, spinnt denn der?« Tom stieß den erstarrten und schweißnassen Alex zur Seite und sprang kopfüber ins Wasser.
Der Anblick des um sein Leben kämpfenden Jungen hatte bei Alex etwas Seltsames ausgelöst. Er sah, wie er um sich schlug und ihn um Hilfe anflehte, aber er war wie erstarrt – Alex konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr, Ströme von Schweiß liefen ihm über die Stirn, und in seinem Kopf schrien verschiedene Stimmen durcheinander, vermischten sich mit flüchtigen Bildern längst vergessen geglaubter Erinnerungen. Plötzlich war alles wieder da, er schmeckte das Wasser des kleinen Baches, er hörte seine Mutter und die Puppe, und er sah sich selbst dort unten im Wasser treiben, einen Arm flehend ausgestreckt. Er war gleichzeitig im Fluss und auf der Brücke.
Erst Toms kräftiger Stoß rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Möhre legte dem zitternden Alex eine Decke um die Schulter, dann versagten seine Beine, und er sank auf das Kajütendach. Tom schaffte es in letzter Sekunde, den Jungen zu retten. Ismael war schon untergegangen, zu schwach, sich noch länger über Wasser zu halten. Tom tauchte und bekam ihn am Kragen zu fassen. Auf dem Rücken schwimmend schleppte er ihn ab und brachte ihn sicher an Deck der Kah.
»Hast du ’nen Knall?«, beschimpfte Tom Alex, kaum dass er aus dem Wasser kam. »Steht einfach da und guckt zu, während Ismael ertrinkt!!«
Alex war völlig verwirrt. »Ich weiß nicht, was mit mir los war, ich konnte mich einfach nicht bewegen!«, sagte er und zog die Decke fester um sich.
Pit legte den Arm um ihn. »He, das hab ich doch schon mal irgendwo gehört …?«
»Wie meine Mutter damals …«, flüsterte Alex niedergeschlagen.
»Wie deine Mutter damals!«, flüsterte Pit zurück.
Möhre grinste von einem Ohr zum anderen. »He, he, he, was sind denn das für plumpe Vertraulichkeiten – sollte ich da was nicht mitgekriegt haben?«
Tom schluckte tief. Das war sein Stichwort. Noch bevor er etwas sagen konnte, lief er tiefrot an. »Äh, Möhre, ich wollte dir auch was sagen …!«
Möhre setzte ihren unschuldigst-naivsten Gesichtsausdruck auf.
»Jaaa?«
»Also, ich, äh, ich wollte dir nur, äh, tja, also …«
Ratatatata!
Eine Maschinengewehrsalve zischte knapp über ihre Köpfe hinweg und schlug eine Reihe tiefer Löcher in Masten und Planken.
»Volle Deckung!«, brüllte Möhre. »Die schießen!«
Sie warfen sich flach hin. Immer neue Kugeln rissen Löcher in die Deckaufbauten und in die Segel. Ismael und Möhre hoben vorsichtig die Köpfe. Drei Schnellboote rasten über den Nil und verfolgten sie. Sie kamen in atemberaubendem Tempo näher, das heißt, zwei von ihnen kamen in atemberaubendem Tempo näher, der Pilot des dritten hatte offenbar Probleme mit der Steuerung und schoss kreuz und quer über die Wellen. Schließlich flog er wie ein Torpedo aus dem Wasser, die flach ansteigende Uferböschung hoch und verschwand mitsamt Rennboot in der Wüste. Anscheinend wusste er nicht, wie man das Ding zum Stehen bringt. Aber zwei Boote waren übrig, und Ismael erkannte in den Piloten Kero-Sin und seinen Schmeichler. Sie rasten über die Wellen, fast ohne das Wasser überhaupt zu berühren. Bei jeder Kurve, die sie fuhren, spritzte das Wasser hoch auf. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie die Kah erreichen würden. Sie feuerten aus allen Rohren. Kero-Sin stand in seinem Boot und genoss die Zerstörung, die er mittels Knopfdruck anrichten
Weitere Kostenlose Bücher