Im Zeichen der gruenen Sonne
mitgenommen hatte, war seine Flöte. Er legte sich auf den Rücken, blickte zu den Sternen, die funkelnd am Firmament standen und versuchte eine Melodie zu spielen, die ihn an alte, glücklichere Tage erinnerte. Doch er fand die Töne nicht mehr, die vom Glück erzählten. Er konnte das ganze Unglück der Insel spüren, bleischwer lag es auf ihm und würgte ihn.
Plötzlich hielt er es nicht länger aus, er hatte das Gefühl, er müsse platzen. Er sprang auf die Füße und tanzte, tanzte sich das Unglück aus dem Körper, tanzte, um all die Hoffnungslosigkeit zu vergessen. Er wirbelte um das Feuer, stampfte mit den Füßen im Sand, schneller, schneller, er wollte sich drehen, bis ihm das Herz im Körper zerspringen und der Schädel platzen würde. Schneller, schneller, immer im Kreis, die Arme flogen um seinen Leib, er zuckte, rollte sich zusammen, streckte sich, sprang in die Luft, ließ den Boden unter seinen Tritten erbeben, und er schrie, schrie sich den Schmerz aus der Seele, schrie alles Unglück irgendjemandem zu, irgendjemandem da draußen in der Nacht. Und der Schmerz wich der Wut – der brennenden Frage nach dem Warum. Warum der Sturm? Warum die Welle? Warum das ganze Unglück und … warum ich??? Er schlug und trat in den Sand, als wolle er ihn bestrafen. Ohne auf die Glut zu achten, rannte er mitten durch das Feuer, und die Funken flogen zu allen Seiten auf, hüllten ihn wie Millionen Sterne ein. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und das Herz in seiner Brust trommeln. Der Schweiß lief an seinem Körper herab und ließ ihn im Licht des Lagerfeuers glänzen. Er hob seine Flöte aus dem Sand und blies eine Melodie, in die er seine ganze Wut legte, eine Melodie, die von seinem Schmerz und von der Hoffnungslosigkeit erzählte.
Und die Melodie erfüllte die Nacht, stieg auf, schwang sich hoch in die Luft, höher und höher bis zu den Sternen. Sie schallte von den Felsen auf das Meer und von den Wellen zurück an Kah-yas Ohr. Da wurden die Töne zu Worten und die Worte zu Sätzen, und es war Kah-ya, als höre er eine Stimme, die zu ihm sprach:
»Höre, Kah-ya! Siehe, Kah-ya! Glaube an dich, vertraue deiner Kraft.«
Und etwas Wunderbares geschah: Die Sterne funkelten und leuchteten auf wie ein goldener Regen, sie bewegten sich, zogen über den Nachthimmel und fanden alle zusammen, um gemeinsam zu leuchten wie ein einziger, riesiger Stern, hell wie eine Sonne in der Nacht. Die Nachtsonne verfärbte sich, und bald überzog grünes Licht das ganze Land wie ein Schleier.
Kah-ya blickte hoch zum Himmel, wo die Erscheinung in derselben Form erstrahlte, wie er sie von seiner Tätowierung her kannte. Die Sonne in seiner Handfläche glühte auf und strahlte ihrer großen Schwester am Firmament entgegen. Jetzt fiel ein Lichtstrahl wie eine Säule vom Himmel und leuchtete auf Kah-ya nieder, der am ganzen Körper erstrahlte. Und das Licht kroch in seine Seele, füllte seinen Körper aus und blickte ihm ins Herz. Kah-ya fühlte sich emporgehoben, als würde er schweben, und wieder sprach die Stimme zu ihm:
»Habe Vertrauen, Kah-ya! Mensch – Sonnenkind – Träger aller Hoffnungen deiner Freunde! Wenn du an deine Kraft glaubst, kannst du den Regen nach oben fallen lassen, Wünsche werden wahr, und die grüne Sonne wird dir leuchten. Glaube an dich, Kah-ya – denn du bist ein Teil der Sterne, und die Sterne sind ein Teil von dir! Kah-ya, vertraue dir … und die deinen werden niemals vernichtet werden, sondern im Glanz der grünen Sonne glücklich sein!«
Dann stürzte die Sonne mit einem langen Feuerschweif ins Meer, und Kah-ya fiel in eine tiefe Ohnmacht.
Als er erwachte, funkelten die Sterne wieder wie seit Millionen Jahren an ihrem Platz, die Sonne und das grüne Licht aber waren verschwunden.
In der Bucht, dort, wo die Sonne in das Meer gestürzt war, lag ein Schiff vor Anker. Ein Schiff – das Geschenk der Sterne!
Für die Bewohner der Insel begann eine glückliche Zeit. Das Schiff bedeutete nicht nur die Rettung der Kinder, es verwandelte das ganze Land in ein Paradies, denn das Schiff war nur die Hülle eines großen Geschenks. Auf einer Säule im Körper des Schiffes stand eine große grüne Kugel. Zehn in die Kugel eingelassene Einzelteile verliehen ihr magische Kräfte. Jedes Teil zeigte eine kleine Vertiefung in Form einer Hand. Welchen Wunsch die Kinder auch immer hatten – alles, was sie tun mussten, war, die Hand in die Vertiefung zu legen und fest an ihren Wunsch und ihre Kraft
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