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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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vier nur noch neugieriger auf den quirligen, lebendigen Ameisenstaat Kairo.
    Jeder Muezzin, der seine Gläubigen in die Moscheen rief, benutzte dafür einen riesigen Lautsprecher, einige hatten obendrein ohrenbetäubende Nebelhörner an ihren Minaretten angebracht. Jeder versuchte den anderen zu übertönen. Sogar auf dem Markt gab es kaum einen Verkäufer, der seine Waren nicht mit einem Megafon angepriesen hätte, und wer Musik hörte, drehte seine Anlage so weit auf, dass man es bis zu den Pyramiden hörte. Dazwischen Verkehrslärm, Hupen, Streit, Trommeln, Hundegebell, Hühnergegacker, Pfeifen und Krachen. Die größte Strafe für einen Kairoer war, den Mund halten zu müssen, die liebste Beschäftigung schien eine Unterhaltung in Düsenjägerlautstärke zu sein.
    »Mann, das wäre was für meine Oma!«, erklärte Tom lachend. Die Kah drehte sich um ihre eigene Achse und fuhr rückwärts an die Anlegestelle heran. Und wieder war da eine Schar Kinder; lachend, schreiend, mit blitzenden Augen, die aus den dunklen Gesichtern hervorstachen. Es war Toms erstes Anlegemanöver und er wollte es natürlich besonders gut machen. Er nahm das eingerollte Tau und warf die ganze Rolle in Richtung der Kinder. Das Tau wickelte sich im Flug ab und wurde schnell von einem Ägypter aufgefangen, der sich im letzten Moment durch die Kindermeute gedrängelt hatte. Aber die Kinder wollten auch helfen, und so zogen über zwanzig Hände die Kah an den Kai.
    »An die Fender!«, rief Tom fachmännisch, stolz, mal wieder einen Fachbegriff einflechten zu können.
    »Was soll das sein?«, fragte prompt Möhre.
    »Greift euch diese großen Gummikugeln und haltet sie zwischen das Schiff und die Anlegestelle. Damit der Lack vom Schiff nicht zerschrammt!«
    Möhre, Pit und Alex taten, was Tom sagte, und Tom hatte plötzlich das Gefühl, ein richtiger Kapitän zu sein. »Lasst den Anker runter!«, kommandierte er, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Lass doch selber den Anker runter, du Pappnase!«, rief Alex zurück. »Wir sind beschäftigt!«
    Grummelnd ging Tom zum Bug und ließ den Anker an der schweren Eisenkette ins Wasser klatschen. Mit einem Knall schlug der Steg auf den Betonboden der Anlegestelle – sie waren angekommen.
    Alex war der Erste, der von Bord ging. Seit sie in Kairo eingesegelt waren, war er unruhig – er wollte los, sich in die unzähligen winzigen, verwinkelten Gässchen stürzen und alles erkunden, was es zu entdecken gab. Nach den vielen Tagen auf See war es ein seltsames Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sofort umringten ihn unzählige Kinder. Der Ägypter, der ihnen beim Anlegen geholfen hatte, ein älterer Mann mit einem grauen Stoppelbart, einer großen Narbe, die quer über sein Gesicht lief, und braunen, blitzenden Augen, begrüßte Alex, als seien sie die ältesten Freunde.
    »Merhaba – willkommen in El-Kâhira!«, sagte er, griff Alex’ Hand und schüttelte sie kräftig und lange.
    »Merhaba! Willkommen in El-Kâhira!«, wiederholten vierzehn Kinder fröhlich.
    Der Ägypter und die Kinder blickten Alex an, als erwarteten sie irgendetwas von ihm. Alex, der keine Ahnung hatte, was er tun sollte, stopfte die Hände tief in seine Hosentaschen, seufzte und sah sich interessiert die Gegend an. Der Ägypter blieb wie in Stein gehauen vor ihm stehen. Die Kinder tuschelten miteinander, starrten Alex an und kicherten. Schließlich brach Alex das Schweigen.
    »Äh, ganz schön laut hier in Kai… äh, El-Kâhira, nicht wahr?«
    Wie aus der Pistole geschossen, plapperten die Kinder wild durcheinander. Jeder wollte dem Fremden etwas erzählen, jeder wollte seine ungeteilte Aufmerksamkeit, und vor allem wollte jeder, und das war das allerwichtigste – jeder wollte einen Kugelschreiber haben.
    »Ich hab keinen Kugelschreiber, bestimmt nicht!« Alex blickte sich Hilfe suchend nach seinen Freunden um. Die standen grinsend an Deck und beobachteten amüsiert den verzweifelten Alex, der wie ein Fels in der Brandung inmitten einer wildgewordenen Kindermeute stand.
    »Jetzt ist aber genug, Kinder! Der Fremde hat gesagt, dass er nichts hat. Lasst ihn in Frieden!«, rief der alte Ägypter streng. Sofort verstummten die Kinder.
    »Vielen Dank!«, keuchte Alex.
    »Nichts zu danken … sagte ich eigentlich schon, dass ich eine kranke Großmutter und vierzehn unmündige Kinder habe, dass meine Frau schwanger ist und ich sechs unverheiratete Schwestern versorgen muss?«, fragte der Ägypter mit

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