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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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müssen!«
    »Wohin?«, schrie Möhre.
    Pit zeigte in die Richtung, in die der Mann auf dem Foto gewiesen hatte. »Da runter!«
    »Verzeiht, wenn ich mich ungebeten einmische!«, schaltete sich ein hagerer Ägypter ein.
    »Was …?«, stöhnte Alex entnervt.
    »Ich habe eine Großmutter, die …«
    »… krank ist, ich weiß …!«
    »Oh nein, mein Herr!«
    »Na, wie schön …!«
    »Sie ist tot. Ein Bakschisch für die armen Hinterbliebenen, o Sohn unbeschreiblicher Großzügigkeit!«
    Der ganze Pulk setzte sich in Bewegung, wo sie auch entlangkamen, zitterte die Erde, und Staub wirbelte auf. Die Menschenmenge zog immer neue Passanten an, Neugierige, die gerne wissen wollten, was los war, oder einfach nur aus Langeweile mitliefen. Andere vermuteten, dass es irgendwo etwas kostenlos gäbe, und wieder andere hielten das Ganze für eine spontane Party und brachten noch ein paar Freunde mit.
    Der Midân et-Tharir, der »Platz der Freiheit«, war der Dreh- und Angelpunkt der Stadt. Über lange Fußgängerbrücken wälzten sich kunterbunte Menschenmassen in alle Richtungen, vollgestopfte Busse stimmten in ein ohrenbetäubendes Hupkonzert von Millionen Autos ein, die gemeinsam mit unzähligen Mofas die Straßen verstopften und die Luft verpesteten. Wenn es jemand in Kairo eilig hatte, nahm er den Bus, wenn er es besonders eilig hatte, nahm er das Auto. Und so versammelten sich alle, die es in Kairo besonders eilig hatten, Tag für Tag in einem gewaltigen Verkehrsstau, und gemeinsam kam man auch nicht einen einzigen Meter weiter. Diejenigen, die es nicht eilig hatten und zu Fuß gingen, gehörten zu den wenigen Glücklichen, die überhaupt jemals irgendwo ankamen.
    An diesem Tag war es auf dem Platz der Freiheit besonders eng, weil eine ständig wachsende Gruppe Postkartenverkäufer, Bakschisch-Hoffnungsträger, Souveniranbieter, Neugierige, Wassermelonenverkäufer und Antiquitätenhändler plötzlich den Platz erstürmte. Der einzige Grund, warum der Verkehr nicht zum Erliegen kam, war der, dass er schon längst erlegen war. Mittendrin Pit, Alex, Möhre und Tom, die vor lauter Fremdenführern keine einzige Sehenswürdigkeit mehr sahen. Besonders unerträglich wurde es, nachdem die winzige Fraktion der »echten« Skarabäen-Hersteller ihre kranken Großmütter geholt hatten. Da die alten Damen nicht so schnell laufen konnten, bewegte sich der Zug immer langsamer durch die Stadt. Eine Gruppe Männer, alle mit großen Schirmmützen auf dem Kopf, umkreisten die vier und wiederholten in einem seltsamen, pausenlosen Singsang:
    »Taxitaxitaxitaxitaxitaxi …!«
    »Beten die wieder?«, wollte Alex von Pit wissen.
    »Das sind Taxifahrer, die beten höchstens, dass wir bei ihnen einsteigen!«
    Sie bewegten sich auf ein großes, sandfarbenes Gebäude am nördlichen Ende des Platzes zu. Inmitten des Verkehrs, der Menschen und des Lärms wirkte es mit seinem kleinen Park wie eine Oase der Ruhe.
    »Was ist das?«, wollte Möhre wissen.
    Da fünfzehn Leute ihr gleichzeitig Auskunft geben wollten, war die Antwort »Das Ägyptische Museum« nicht leicht zu verstehen.
    Auf der weit auslaufenden, weißen Treppe vor dem Haupteingang saßen ein paar Rucksacktouristen, ruhten sich vom Museumsbesuch aus, lasen in ihren Reiseführern, rauchten gedankenverloren eine Zigarette oder knüpften untereinander neue Kontakte. »He, seid ihr schon in Assuan gewesen, is cool – barfuß durch die Wüste, voll krass, ey.«
    »Nö, ich reise ohne Kohle, die Typen in den Oasen laden dich doch zu allem ein, echt coole Typen, voll auf Gastfreundschaft.«
    »Haben wir uns nicht schon mal in Indien getroffen … oder war das in einem früheren Leben?«
    Plötzlich kam Bewegung in den gemütlichen Haufen, hastig, ja geradezu panisch wurden Bücher verpackt, die Rucksäcke aus dem Weg gezogen. Man suchte Deckung, floh. Aber für einige war es zu spät. Sie wurden von einer schreienden Menschenmenge überrollt, noch bevor sie ein einziges Mal »cool« sagen konnten. Diejenigen, die den Schreck überstanden und sich mit schmerzenden Gliedern die Fußspuren aus dem Gesicht wischten, glaubten noch lange, unter die Hufe einer Büffelherde geraten zu sein.
    Der hohe Eingang des zweistöckigen Museums wurde flankiert von zwei schmalen weißen Säulen, zwischen denen sich die Menge durchquetschte. Abdallah, der Kassierer hinter der großen, schweren Museumspforte, ließ vor Schreck sein Herrenmagazin fallen, als er sah, wie sie auf ihn zugestürmt kamen. Eine

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