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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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»Äähh, Pit, entschuldige, wenn ich störe, aber deine Mutter bittet dich, die Kartoffelschalen zu den Mülltonnen zu bringen. Aber wenn du zu tun hast, kann ich auch selber …«
    »Nee, schon gut Papa, ich mach’s schon. Du hast nicht zufällig irgendwo einen Artikel über Verzerrung von Desoxyribonucleinsäure durch Methyltransferase gesehen?«
    »Verzerrung von was?« Ihr Vater hatte sich längst daran gewöhnt, nicht alles zu verstehen, worüber seine Tochter sprach.
    »Okay, entschuldige, wo sind die Schalen?«
    Er drückte ihr die in Zeitungspapier eingewickelten Kartoffelschalen in die Hand und ging aus dem Zimmer. Seufzend packte sie ihren Fotoapparat in die Tasche, warf sie sich über die Schulter und ging aus dem Zimmer.
    Armer Papa!, dachte sie, als sie die Haustür hinter sich schloss. Ihr Vater war der liebste Mensch, den sie kannte. Niemand war so zuvorkommend und so höflich … und so schwach. Er hatte nie gelernt, sich durchzusetzen, und er war seiner Frau und seiner Tochter hoffnungslos unterlegen. Ihr Vater war nicht klüger oder dümmer als andere Menschen, aber er arbeitete als Hausmeister in diesem Haus und war damit zufrieden. Als Pit drei Jahre alt gewesen war, konnte sie bereits lesen und schreiben, ein Kinderpsychologe hatte festgestellt, dass sie »hochbegabt« sei und weit überdurchschnittlich intelligent. Pit hatte einige Schulklassen übersprungen und war trotzdem immer Klassenbeste geblieben, sie lernte Fremdsprachen in wenigen Wochen und gewann Preise für außergewöhnliche Arbeiten. Aber all diese Erfolge bedeuteten nur, dass sich Vater und Tochter mit der Zeit immer fremder wurden. Pits Vater fühlte sich seiner Tochter mehr und mehr unterlegen, auch wenn Pit alles versuchte, um ihn nicht bloßzustellen. Armer, lieber Papa! dachte sie noch mal und öffnete die Tür zum Hof.
    Draußen war es erstickend heiß. Pit lief, so schnell sie konnte, quer über den Hof zu den Mülltonnen.
    »Tag!« An die Mülltonne gelehnt saß ein Junge mit einer knallroten Baseballkappe. Pit hatte diesen Jungen schon mal gesehen, aber das musste schon eine ganze Weile her sein. Aus dem Haus war er jedenfalls nicht.
    »Tag!«, erwiderte sie seinen Gruß, öffnete eine Mülltonne und schüttete die Kartoffelschalen hinein. Gerade wollte sie die verdreckte Zeitung hinterherwerfen, als ihr Blick auf einen Artikel fiel. Die verblüffende Verzerrung der Desoxyribonuc … Der Rest war nicht mehr zu entziffern.

Der Hof
    »Cornelia hat ihr albernes Prospekt vergessen!«, sagte Alex, zerknüllte das Bild und warf es in den Dreck.
    Möhre hob es auf und strich es glatt. »Das Ding ist eine derartige Beleidigung fürs Auge, das muss viel schlimmer bestraft werden. Bloß wegschmeißen ist zu einfach, ich bin für den Scheiterhaufen!«
    »Spitze, das Urteil ist angenommen und wird sofort vollstreckt!« Alex wühlte in den unzähligen Taschen seiner Weste. Zum Vorschein kamen ein Taschenmesser, Kaugummis – bereits gekaute und noch verpackte –, Fußballstar-Abziehbilder, ein Kompass, ein vertrockneter Seestern, eine Lupe, eine Sammlung Schraubenzieher, eine Stabtaschenlampe, eingetrocknete Kugelschreiber und eine Tüte Murmeln, die er schon seit Jahren wegschmeißen wollte, aber von denen er sich irgendwie doch nicht trennen konnte. Damit lag der Inhalt seiner Weste auf dem Boden – ein Haufen Gerümpel, aber kein Feuerzeug.
    Möhre trat ungeduldig von einem Bein auf das andere – sie wollte unbedingt die Erinnerung an den herrlichen Urlaub anderer zu Asche, zu Staub, zu nichts und wieder nichts verbrennen.
    Ja, verdammt noch mal, wo Feuer herbekommen? Ihr Blick fiel auf Tom, der gerade damit beschäftigt war, auf Städte stürzende Atombomben mittels Laserstrahlen zu vernichten, um Millionen Menschen das Leben zu retten.
    »He, du da!«, rief Möhre und ging auf ihn zu.
    Tom reagierte nicht. Zwar hatte er sie gehört, aber wenn er nicht voll bei der Sache blieb, verpasste er die Atombomben und eine Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht.
    »He, du mit dem Taschenrechner!«
    Die Bezeichnung »Taschenrechner« für sein nagelneues Notebook traf Tom wie eine Ohrfeige. Und schon war’s passiert, der erste Atompilz wuchs über einer Stadt. Tom blickte Möhre sauer an.
    »Hör mal, quatsch mich nie, nie mehr von der Seite an, während ich an meinem XR-5000 sitze, klar?« (Der zweite Atompilz detonierte.) »Das ist ein Prototyp aus der Forschung meines Vaters, den kann man im Handel noch gar nicht …«

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