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Im Zeichen der gruenen Sonne

Im Zeichen der gruenen Sonne

Titel: Im Zeichen der gruenen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Rothe
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neben die Mülltonnen auf den Boden gelegt und versuchte, die zerrissenen und verdreckten Einzelteile wieder zusammenzupuzzeln. Leise fluchte sie vor sich hin, aber da war nichts zu machen. Aussichtslos. Seufzend nahm sie ihre Kamera und suchte durch das Objektiv eine geeignete Position für ein Abschiedsfoto ihres Lieblingsartikels.
    Ein schwarzer Schatten schob sich quer über die zerfetzten Zeitungsreste. Pit blickte auf. Vor ihr stand Alex und grinste sie an. »Hi, Pit! Knipst du jetzt schon Müll?«
    »Was willst du?«, gab Pit knapp zurück. Sie konnte es nicht ausstehen, bei ihrer Arbeit gestört zu werden, und vor allen Dingen hasste sie es, wenn Leute, die einfach keine Ahnung hatten, meinten, sie »knipse« nur irgendetwas.
    »Äh, ich will da hinten was anzünden und habe kein Feuer, und da dachte ich, dass vielleicht du, äh …«
    »Ich hab auch kein Feuer!«
    »Schon, aber du hast ’ne Brille!«
    »Na und?«
    »Gibt ’n prima Brennglas!«
    »Na, okay!« Pit nahm die Brille ab, gab sie Alex und blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Wiedersehen macht Freude, klar?«
    Der Sonnenstrahl hat Glück. Zwar hat er sich durch die acht Minuten und achtzehn Sekunden lange Reise durch das Weltall ziemlich abgekühlt, aber er bekommt die Gelegenheit, noch mal so richtig aufzudrehen. Wirklich, es war eine verdammt gute Idee, hier in diesem Hinterhof zu landen. Einer dieser kleinen Erdbewohner hält zwei komische Gläser in der Hand, und diese Dinger sind so ziemlich das Coolste, was der Sonnenstrahl seit 149480000 Kilometer gesehen hat. Er schießt durch die Gläser, die ihn zwingen, enger und enger mit einigen Kollegen, die sich ebenfalls eingefunden haben, zusammenzurücken. Jeder will Erster sein, schneller als der andere am Ziel, einer seltsam flachen, bunt bedruckten Fläche, ankommen. Jetzt will jeder zeigen, was er drauf hat – aus sechsunddreißig werden achtzig, neunzig, hundert und noch mehr Grad. Der Sonnenstrahl ist mit sich sehr zufrieden.
    Das Licht fraß innerhalb weniger Sekunden ein schwarz gerändertes Loch in das Foto auf Cornelias Prospekt. Eine kleine gelbe Flamme schoss hoch und breitete sich kreisförmig um den eingebrannten Punkt, das Foto verfärbte sich braun und warf Bläschen. Ein beißender Geruch nach verbranntem Hochglanzpapier stieg Möhre, Alex und Tom in die Nase.
    »Wahnsinn!«, meinte Tom beeindruckt. »Ist ja wie bei meinen Laserstrahlen im Computer!«
    »Sagt mal, was stinkt hier eigentlich so?«
    Alex drehte sich um. Vor ihm stand Pit mit zusammengekniffenen Augen. Ohne ihre Brille war sie blind wie ein Maulwurf.
    »Das Foto!«, sagte Alex und schaute lächelnd auf die tanzende Flamme.
    »Welches Foto?«
    »Das Foto, das wir gerade verbrennen!«
    »WAS? Gib mir sofort meine Brille!« Pit setzte ihre Brille auf und sah die bereits zur Hälfte verbrannte Fotografie in Alex’ Hand. Ein Foto – verbrennen? Es gab kaum eine Vorstellung, die Pit grauenhafter gewesen wäre als diese. Was für ein Tag! Zuerst missbrauchte man ihren Lieblingsartikel zum Einwickeln von Kartoffelschalen und jetzt verbrannten die Fotos! Egal, warum. Das tat man einfach nicht. Es war widerlich, abstoßend, Mord. Pit beschloss zu retten, was zu retten war.
    »Mach das sofort aus!«
    »Spinnst du? Kümmer dich um deinen eigenen Mist!« Alex würdigte sie keines Blickes.
    »Mach es aus!«
    »Verzieh dich!«
    Okay, Pit hatte es lange genug im Guten versucht, aber was zu viel war, war zu viel. Das Foto war schon fast völlig verschwunden. Mit einer energischen Handbewegung entriss sie es Alex, warf es zu Boden und trat das Feuer aus. Alex wirbelte herum, versuchte, nach dem Bild zu greifen, verlor aber das Gleichgewicht. Für den Bruchteil einer Sekunde schien er zwischen Himmel und Erde zu schweben. Auf einem Fuß balancierend, versuchte er das Unvermeidliche aufzuhalten, doch es war zu spät – langsam kippte er nach vorne. Wie ein gefällter Baumstamm schlug er der Länge nach krachend hin, mit dem Gesicht nach unten ins Blumenbeet, wo er still und bewegungslos liegen blieb. Er hatte nicht einmal versucht, sich mit den Händen abzustützen.
    Möhre, Pit und Tom standen »jetzt-kein-falsches-Wort-sonst-gibt-es-ein-Unglück«-still um Alex und blickten sich ratlos an.
    »Ist er tot?«, flüsterte Pit, die sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte.
    Statt einer Antwort hörten sie ein von Blumenerde dumpf ersticktes, langgezogenes Stöhnen.
    »Was hat er gesagt?«, wollte Tom wissen.
    »Er sagte:

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